stummer Verkehr entsponnen. Das Hündchen auf ihrem Schooße blickte beständig nach dem Stück¬ chen Kuchen hin, welches verlassen und unerreich¬ bar auf dem Tische lag, das Mädchen langte danach, Heinrich anblickend, wie um Erlaubniß zu bitten, konnte es aber nicht erreichen, so daß er es ihr näher hinschob. Der Hund mußte nun seine Künste machen, ehe er den Kuchen erhielt, Heinrich legte ein anderes Stück auf die neutrale Mitte des Tisches, von wo es das freundliche Kind wegholte, und so ging es fort, bis der Vorrath verzehrt war. Dabei hatte sie den Fremden nicht mehr angesehen, jedoch so laut und fröhlich zu dem Thierchen gesprochen und die Hände so fest und traulich nach dem Backwerke bewegt, daß er sich wohl als zur Gesellschaft ge¬ hörig betrachten durfte, und er erwiederte auch diese Freundlichkeit durch die größte Stille und Bescheidenheit. Als der Graf nun die Damen nach dem Wagen hinaus führte, um dort von ihnen Abschied zu nehmen, grüßte die Kleine un¬ ter der Thüre Heinrich ganz allerliebst und dieser machte dem unerwachsenen Kinde ein so ernsthaf¬
ſtummer Verkehr entſponnen. Das Huͤndchen auf ihrem Schooße blickte beſtaͤndig nach dem Stuͤck¬ chen Kuchen hin, welches verlaſſen und unerreich¬ bar auf dem Tiſche lag, das Maͤdchen langte danach, Heinrich anblickend, wie um Erlaubniß zu bitten, konnte es aber nicht erreichen, ſo daß er es ihr naͤher hinſchob. Der Hund mußte nun ſeine Kuͤnſte machen, ehe er den Kuchen erhielt, Heinrich legte ein anderes Stuͤck auf die neutrale Mitte des Tiſches, von wo es das freundliche Kind wegholte, und ſo ging es fort, bis der Vorrath verzehrt war. Dabei hatte ſie den Fremden nicht mehr angeſehen, jedoch ſo laut und froͤhlich zu dem Thierchen geſprochen und die Haͤnde ſo feſt und traulich nach dem Backwerke bewegt, daß er ſich wohl als zur Geſellſchaft ge¬ hoͤrig betrachten durfte, und er erwiederte auch dieſe Freundlichkeit durch die groͤßte Stille und Beſcheidenheit. Als der Graf nun die Damen nach dem Wagen hinaus fuͤhrte, um dort von ihnen Abſchied zu nehmen, gruͤßte die Kleine un¬ ter der Thuͤre Heinrich ganz allerliebſt und dieſer machte dem unerwachſenen Kinde ein ſo ernſthaf¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0078"n="64"/>ſtummer Verkehr entſponnen. Das Huͤndchen auf<lb/>
ihrem Schooße blickte beſtaͤndig nach dem Stuͤck¬<lb/>
chen Kuchen hin, welches verlaſſen und unerreich¬<lb/>
bar auf dem Tiſche lag, das Maͤdchen langte<lb/>
danach, Heinrich anblickend, wie um Erlaubniß<lb/>
zu bitten, konnte es aber nicht erreichen, ſo daß<lb/>
er es ihr naͤher hinſchob. Der Hund mußte nun<lb/>ſeine Kuͤnſte machen, ehe er den Kuchen erhielt,<lb/>
Heinrich legte ein anderes Stuͤck auf die neutrale<lb/>
Mitte des Tiſches, von wo es das freundliche<lb/>
Kind wegholte, und ſo ging es fort, bis der<lb/>
Vorrath verzehrt war. Dabei hatte ſie den<lb/>
Fremden nicht mehr angeſehen, jedoch ſo laut und<lb/>
froͤhlich zu dem Thierchen geſprochen und die<lb/>
Haͤnde ſo feſt und traulich nach dem Backwerke<lb/>
bewegt, daß er ſich wohl als zur Geſellſchaft ge¬<lb/>
hoͤrig betrachten durfte, und er erwiederte auch<lb/>
dieſe Freundlichkeit durch die groͤßte Stille und<lb/>
Beſcheidenheit. Als der Graf nun die Damen<lb/>
nach dem Wagen hinaus fuͤhrte, um dort von<lb/>
ihnen Abſchied zu nehmen, gruͤßte die Kleine un¬<lb/>
ter der Thuͤre Heinrich ganz allerliebſt und dieſer<lb/>
machte dem unerwachſenen Kinde ein ſo ernſthaf¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[64/0078]
ſtummer Verkehr entſponnen. Das Huͤndchen auf
ihrem Schooße blickte beſtaͤndig nach dem Stuͤck¬
chen Kuchen hin, welches verlaſſen und unerreich¬
bar auf dem Tiſche lag, das Maͤdchen langte
danach, Heinrich anblickend, wie um Erlaubniß
zu bitten, konnte es aber nicht erreichen, ſo daß
er es ihr naͤher hinſchob. Der Hund mußte nun
ſeine Kuͤnſte machen, ehe er den Kuchen erhielt,
Heinrich legte ein anderes Stuͤck auf die neutrale
Mitte des Tiſches, von wo es das freundliche
Kind wegholte, und ſo ging es fort, bis der
Vorrath verzehrt war. Dabei hatte ſie den
Fremden nicht mehr angeſehen, jedoch ſo laut und
froͤhlich zu dem Thierchen geſprochen und die
Haͤnde ſo feſt und traulich nach dem Backwerke
bewegt, daß er ſich wohl als zur Geſellſchaft ge¬
hoͤrig betrachten durfte, und er erwiederte auch
dieſe Freundlichkeit durch die groͤßte Stille und
Beſcheidenheit. Als der Graf nun die Damen
nach dem Wagen hinaus fuͤhrte, um dort von
ihnen Abſchied zu nehmen, gruͤßte die Kleine un¬
ter der Thuͤre Heinrich ganz allerliebſt und dieſer
machte dem unerwachſenen Kinde ein ſo ernſthaf¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/78>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.