oder die Mehrheit, und Angesichts dieser That¬ sache wird wohl nur darum die Republik in der weiten Welt fast unmöglich, weil sie von ihren Verkündigern anstatt zur Sache der kühlen Ver¬ nunft und Lebenspraxis, zur Sache des Gefühls, zum religiösen Ideal gemacht wird, welches wie¬ der der Heuchelei, der Schwärmerei und einem politischen Pfaffenthum Thür und Thor öffnet."
"Ei, Sie sprechen ja wie ein Buch, junger Freund! Sie sind wohl ein eifriger Politiker?"
"Das gerade nicht mehr, als nöthig ist! Ich habe aber als ein Buchrepublikaner darüber nach¬ gedacht, daß mein Volk so wenig Aufhebens macht mit seiner Republik, während es sich wahr¬ haft und nicht vorübergehend unglücklich fühlte, wenn es durch irgend eine Uebermacht bezwun¬ gen, auch von dem besten Fürsten zu besitzen und zu regieren versucht würde. Und je mehr sich dieses Volk von uns, die wir Bücher lesen und den weltgeschichtlichen Begriff der Republik ken¬ nen, unterscheidet, desto liebenswürdiger ist es in seiner Duldsamkeit gegen Andersgläubige, gegen monarchische Unterthanen, denen es nicht das
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oder die Mehrheit, und Angeſichts dieſer That¬ ſache wird wohl nur darum die Republik in der weiten Welt faſt unmoͤglich, weil ſie von ihren Verkuͤndigern anſtatt zur Sache der kuͤhlen Ver¬ nunft und Lebenspraxis, zur Sache des Gefuͤhls, zum religioͤſen Ideal gemacht wird, welches wie¬ der der Heuchelei, der Schwaͤrmerei und einem politiſchen Pfaffenthum Thuͤr und Thor oͤffnet.«
»Ei, Sie ſprechen ja wie ein Buch, junger Freund! Sie ſind wohl ein eifriger Politiker?«
»Das gerade nicht mehr, als noͤthig iſt! Ich habe aber als ein Buchrepublikaner daruͤber nach¬ gedacht, daß mein Volk ſo wenig Aufhebens macht mit ſeiner Republik, waͤhrend es ſich wahr¬ haft und nicht voruͤbergehend ungluͤcklich fuͤhlte, wenn es durch irgend eine Uebermacht bezwun¬ gen, auch von dem beſten Fuͤrſten zu beſitzen und zu regieren verſucht wuͤrde. Und je mehr ſich dieſes Volk von uns, die wir Buͤcher leſen und den weltgeſchichtlichen Begriff der Republik ken¬ nen, unterſcheidet, deſto liebenswuͤrdiger iſt es in ſeiner Duldſamkeit gegen Andersglaͤubige, gegen monarchiſche Unterthanen, denen es nicht das
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[73/0087]
oder die Mehrheit, und Angeſichts dieſer That¬
ſache wird wohl nur darum die Republik in der
weiten Welt faſt unmoͤglich, weil ſie von ihren
Verkuͤndigern anſtatt zur Sache der kuͤhlen Ver¬
nunft und Lebenspraxis, zur Sache des Gefuͤhls,
zum religioͤſen Ideal gemacht wird, welches wie¬
der der Heuchelei, der Schwaͤrmerei und einem
politiſchen Pfaffenthum Thuͤr und Thor oͤffnet.«
»Ei, Sie ſprechen ja wie ein Buch, junger
Freund! Sie ſind wohl ein eifriger Politiker?«
»Das gerade nicht mehr, als noͤthig iſt! Ich
habe aber als ein Buchrepublikaner daruͤber nach¬
gedacht, daß mein Volk ſo wenig Aufhebens
macht mit ſeiner Republik, waͤhrend es ſich wahr¬
haft und nicht voruͤbergehend ungluͤcklich fuͤhlte,
wenn es durch irgend eine Uebermacht bezwun¬
gen, auch von dem beſten Fuͤrſten zu beſitzen und
zu regieren verſucht wuͤrde. Und je mehr ſich
dieſes Volk von uns, die wir Buͤcher leſen und
den weltgeſchichtlichen Begriff der Republik ken¬
nen, unterſcheidet, deſto liebenswuͤrdiger iſt es in
ſeiner Duldſamkeit gegen Andersglaͤubige, gegen
monarchiſche Unterthanen, denen es nicht das
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/87>, abgerufen am 24.11.2024.
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