sie beide aus und holt seine Bildung aus den tiefen Schachten des deutschen Volkes. Alle aber sind bestrebt, Alles nur zur größeren Ehre ihres Landes zurückzubringen und zu verwenden, und Viele gerathen sogar über diesem Bestreben in ein gegen die Quellen undankbares und lächer¬ liches Zopfthum hinein."
"Es ist vielleicht," wandte Heinrichs Beglei¬ ter ein, "ein unbescheidener Mißbrauch, welchen ich mit einem wackeren Volke treiben möchte, wenn ich auf meiner alten Behauptung beharre und sogar wünsche, daß Ihr es einmal versuchs¬ weise darauf anlegtet, in allen Dingen ganz selb¬ ständig und naturwüchsig zu sein und ganz auf Eurem Boden eine eigene Weisheit zu pflegen. Dem Lande, wie seiner Verfassung eigenst ange¬ messen, müßte gewiß etwas Frisches und für uns Andere Erbauliches zu Stande kommen. Sie würden vielleicht umkehren, junger Mann, wenn Sie wüßten, wie sich bei uns großen Nationen die Bildung im ewigen Kreise herumdreht, wie einflußlos unsere Heroen, die in Jedermanns Munde sind, an unserem innersten Herzen vor¬
ſie beide aus und holt ſeine Bildung aus den tiefen Schachten des deutſchen Volkes. Alle aber ſind beſtrebt, Alles nur zur groͤßeren Ehre ihres Landes zuruͤckzubringen und zu verwenden, und Viele gerathen ſogar uͤber dieſem Beſtreben in ein gegen die Quellen undankbares und laͤcher¬ liches Zopfthum hinein.«
»Es iſt vielleicht,« wandte Heinrichs Beglei¬ ter ein, »ein unbeſcheidener Mißbrauch, welchen ich mit einem wackeren Volke treiben moͤchte, wenn ich auf meiner alten Behauptung beharre und ſogar wuͤnſche, daß Ihr es einmal verſuchs¬ weiſe darauf anlegtet, in allen Dingen ganz ſelb¬ ſtaͤndig und naturwuͤchſig zu ſein und ganz auf Eurem Boden eine eigene Weisheit zu pflegen. Dem Lande, wie ſeiner Verfaſſung eigenſt ange¬ meſſen, muͤßte gewiß etwas Friſches und fuͤr uns Andere Erbauliches zu Stande kommen. Sie wuͤrden vielleicht umkehren, junger Mann, wenn Sie wuͤßten, wie ſich bei uns großen Nationen die Bildung im ewigen Kreiſe herumdreht, wie einflußlos unſere Heroen, die in Jedermanns Munde ſind, an unſerem innerſten Herzen vor¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0093"n="79"/>ſie beide aus und holt ſeine Bildung aus den<lb/>
tiefen Schachten des deutſchen Volkes. Alle aber<lb/>ſind beſtrebt, Alles nur zur groͤßeren Ehre ihres<lb/>
Landes zuruͤckzubringen und zu verwenden, und<lb/>
Viele gerathen ſogar uͤber dieſem Beſtreben in<lb/>
ein gegen die Quellen undankbares und laͤcher¬<lb/>
liches Zopfthum hinein.«</p><lb/><p>»Es iſt vielleicht,« wandte Heinrichs Beglei¬<lb/>
ter ein, »ein unbeſcheidener Mißbrauch, welchen<lb/>
ich mit einem wackeren Volke treiben moͤchte,<lb/>
wenn ich auf meiner alten Behauptung beharre<lb/>
und ſogar wuͤnſche, daß Ihr es einmal verſuchs¬<lb/>
weiſe darauf anlegtet, in allen Dingen ganz ſelb¬<lb/>ſtaͤndig und naturwuͤchſig zu ſein und ganz auf<lb/>
Eurem Boden eine eigene Weisheit zu pflegen.<lb/>
Dem Lande, wie ſeiner Verfaſſung eigenſt ange¬<lb/>
meſſen, muͤßte gewiß etwas Friſches und fuͤr uns<lb/>
Andere Erbauliches zu Stande kommen. Sie<lb/>
wuͤrden vielleicht umkehren, junger Mann, wenn<lb/>
Sie wuͤßten, wie ſich bei uns großen Nationen<lb/>
die Bildung im ewigen Kreiſe herumdreht, wie<lb/>
einflußlos unſere Heroen, die in Jedermanns<lb/>
Munde ſind, an unſerem innerſten Herzen vor¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[79/0093]
ſie beide aus und holt ſeine Bildung aus den
tiefen Schachten des deutſchen Volkes. Alle aber
ſind beſtrebt, Alles nur zur groͤßeren Ehre ihres
Landes zuruͤckzubringen und zu verwenden, und
Viele gerathen ſogar uͤber dieſem Beſtreben in
ein gegen die Quellen undankbares und laͤcher¬
liches Zopfthum hinein.«
»Es iſt vielleicht,« wandte Heinrichs Beglei¬
ter ein, »ein unbeſcheidener Mißbrauch, welchen
ich mit einem wackeren Volke treiben moͤchte,
wenn ich auf meiner alten Behauptung beharre
und ſogar wuͤnſche, daß Ihr es einmal verſuchs¬
weiſe darauf anlegtet, in allen Dingen ganz ſelb¬
ſtaͤndig und naturwuͤchſig zu ſein und ganz auf
Eurem Boden eine eigene Weisheit zu pflegen.
Dem Lande, wie ſeiner Verfaſſung eigenſt ange¬
meſſen, muͤßte gewiß etwas Friſches und fuͤr uns
Andere Erbauliches zu Stande kommen. Sie
wuͤrden vielleicht umkehren, junger Mann, wenn
Sie wuͤßten, wie ſich bei uns großen Nationen
die Bildung im ewigen Kreiſe herumdreht, wie
einflußlos unſere Heroen, die in Jedermanns
Munde ſind, an unſerem innerſten Herzen vor¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/93>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.