sie vor Schwäche auch herunter, und die ganze Familie liegt in diesem tiefen, tiefen Wasser; denn hier geht es so weit hinunter, als der Stein hoch ist!"
Wir schauten, in tiefem Schatten sitzend, in die Höhe, wo der obere Theil des grauen Felsens im Sonnenscheine glänzte und die seltsame Ver¬ tiefung erhellt war. Wie wir so hinschauten, sahen wir einen blauen glänzenden Rauch aus der Heidenstube dringen und längs der Wand hinsteigen, und wie wir länger hinstarrten, sahen wir ein fremdartiges Weib, lang und hager, in der webenden Rauchwolke stehen, herabblicken aus hohlen Augen und wieder verschwinden. Sprach¬ los sahen wir hin, Anna schmiegte sich dicht an mich und ich legte meinen Arm um sie, wir wa¬ ren erschreckt und doch glücklich, und das Bild der Höhle schwamm verwirrt und verwischt vor unseren emporgerichteten Augen, und als es wie¬ der klar wurde, standen ein Mann und ein Weib in der Höhe und schauten auf uns herab. Eine ganze Orgelpfeifenreihe von Knaben und Mäd¬ chen, halb oder ganz nackt, saß unter dem Loche
ſie vor Schwaͤche auch herunter, und die ganze Familie liegt in dieſem tiefen, tiefen Waſſer; denn hier geht es ſo weit hinunter, als der Stein hoch iſt!«
Wir ſchauten, in tiefem Schatten ſitzend, in die Hoͤhe, wo der obere Theil des grauen Felſens im Sonnenſcheine glaͤnzte und die ſeltſame Ver¬ tiefung erhellt war. Wie wir ſo hinſchauten, ſahen wir einen blauen glaͤnzenden Rauch aus der Heidenſtube dringen und laͤngs der Wand hinſteigen, und wie wir laͤnger hinſtarrten, ſahen wir ein fremdartiges Weib, lang und hager, in der webenden Rauchwolke ſtehen, herabblicken aus hohlen Augen und wieder verſchwinden. Sprach¬ los ſahen wir hin, Anna ſchmiegte ſich dicht an mich und ich legte meinen Arm um ſie, wir wa¬ ren erſchreckt und doch gluͤcklich, und das Bild der Hoͤhle ſchwamm verwirrt und verwiſcht vor unſeren emporgerichteten Augen, und als es wie¬ der klar wurde, ſtanden ein Mann und ein Weib in der Hoͤhe und ſchauten auf uns herab. Eine ganze Orgelpfeifenreihe von Knaben und Maͤd¬ chen, halb oder ganz nackt, ſaß unter dem Loche
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ſie vor Schwaͤche auch herunter, und die ganze
Familie liegt in dieſem tiefen, tiefen Waſſer;
denn hier geht es ſo weit hinunter, als der Stein
hoch iſt!«
Wir ſchauten, in tiefem Schatten ſitzend, in
die Hoͤhe, wo der obere Theil des grauen Felſens
im Sonnenſcheine glaͤnzte und die ſeltſame Ver¬
tiefung erhellt war. Wie wir ſo hinſchauten,
ſahen wir einen blauen glaͤnzenden Rauch aus
der Heidenſtube dringen und laͤngs der Wand
hinſteigen, und wie wir laͤnger hinſtarrten, ſahen
wir ein fremdartiges Weib, lang und hager, in
der webenden Rauchwolke ſtehen, herabblicken aus
hohlen Augen und wieder verſchwinden. Sprach¬
los ſahen wir hin, Anna ſchmiegte ſich dicht an
mich und ich legte meinen Arm um ſie, wir wa¬
ren erſchreckt und doch gluͤcklich, und das Bild
der Hoͤhle ſchwamm verwirrt und verwiſcht vor
unſeren emporgerichteten Augen, und als es wie¬
der klar wurde, ſtanden ein Mann und ein Weib
in der Hoͤhe und ſchauten auf uns herab. Eine
ganze Orgelpfeifenreihe von Knaben und Maͤd¬
chen, halb oder ganz nackt, ſaß unter dem Loche
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/134>, abgerufen am 27.11.2024.
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