Anna erröthend, sie möchte einmal probiren, ob sie in der großen Menge tanzen könne. Dieses kam mir sehr gelegen und wir drehten uns im selben Augenblicke in den Kreisen eines Walzers dahin. Von nun an tanzten wir mehrere Stun¬ den ununterbrochen, ohne müde zu werden, die Welt und uns selbst vergessend. Wenn die Mu¬ sik eine Pause machte, so standen wir nicht still, sondern setzten unsern Weg durch die Menge fort in raschem Schritte und fingen mit dem ersten Tone wieder zu tanzen an, wir mochten gerade gehen, wo es war.
Mit dem ersten Tone der Abendglocke aber stand auf einmal der Tanz still mitten in einem Walzer, die Paare ließen ihre Hände fahren, die Dirnen wanden sich aus den Armen der Tänzer, und Alles eilte, sich ehrbar begrüßend, die Treppe hinunter, setzte sich noch einmal hin, um Kaffee mit Kuchen zu genießen und dann ruhig nach Hause zu gehen. Anna stand, mit glühendem Gesichte, noch immer in meinem Arme und ich schaute verblüfft umher. Sie lächelte und zog mich fort; wir fanden ihren Vater nicht mehr im
Anna erroͤthend, ſie moͤchte einmal probiren, ob ſie in der großen Menge tanzen koͤnne. Dieſes kam mir ſehr gelegen und wir drehten uns im ſelben Augenblicke in den Kreiſen eines Walzers dahin. Von nun an tanzten wir mehrere Stun¬ den ununterbrochen, ohne muͤde zu werden, die Welt und uns ſelbſt vergeſſend. Wenn die Mu¬ ſik eine Pauſe machte, ſo ſtanden wir nicht ſtill, ſondern ſetzten unſern Weg durch die Menge fort in raſchem Schritte und fingen mit dem erſten Tone wieder zu tanzen an, wir mochten gerade gehen, wo es war.
Mit dem erſten Tone der Abendglocke aber ſtand auf einmal der Tanz ſtill mitten in einem Walzer, die Paare ließen ihre Haͤnde fahren, die Dirnen wanden ſich aus den Armen der Taͤnzer, und Alles eilte, ſich ehrbar begruͤßend, die Treppe hinunter, ſetzte ſich noch einmal hin, um Kaffee mit Kuchen zu genießen und dann ruhig nach Hauſe zu gehen. Anna ſtand, mit gluͤhendem Geſichte, noch immer in meinem Arme und ich ſchaute verbluͤfft umher. Sie laͤchelte und zog mich fort; wir fanden ihren Vater nicht mehr im
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Anna erroͤthend, ſie moͤchte einmal probiren, ob
ſie in der großen Menge tanzen koͤnne. Dieſes
kam mir ſehr gelegen und wir drehten uns im
ſelben Augenblicke in den Kreiſen eines Walzers
dahin. Von nun an tanzten wir mehrere Stun¬
den ununterbrochen, ohne muͤde zu werden, die
Welt und uns ſelbſt vergeſſend. Wenn die Mu¬
ſik eine Pauſe machte, ſo ſtanden wir nicht ſtill,
ſondern ſetzten unſern Weg durch die Menge fort
in raſchem Schritte und fingen mit dem erſten
Tone wieder zu tanzen an, wir mochten gerade
gehen, wo es war.
Mit dem erſten Tone der Abendglocke aber
ſtand auf einmal der Tanz ſtill mitten in einem
Walzer, die Paare ließen ihre Haͤnde fahren, die
Dirnen wanden ſich aus den Armen der Taͤnzer,
und Alles eilte, ſich ehrbar begruͤßend, die Treppe
hinunter, ſetzte ſich noch einmal hin, um Kaffee
mit Kuchen zu genießen und dann ruhig nach
Hauſe zu gehen. Anna ſtand, mit gluͤhendem
Geſichte, noch immer in meinem Arme und ich
ſchaute verbluͤfft umher. Sie laͤchelte und zog
mich fort; wir fanden ihren Vater nicht mehr im
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/152>, abgerufen am 23.11.2024.
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