wendung anhielt. Da jedoch die Natur nicht in Frage kam, oder doch nur höchst überlieferungs¬ weise, so lernte ich bald, durch das endlich er¬ reichte Ziel, "mit Farben umzugehen," zu neuem Fleiße gereizt, gefärbte Zeichnungen hervorbrin¬ gen, wie sie ungefähr als das Beste im Hause verlangt wurden, einzig aufgehalten und behin¬ dert, wenn ich gesehene Farben der Natur, die sich mir während des vielen Zeichnens eingeprägt hatten, anbringen wollte und dadurch mit den im Refectorium herkömmlichen Mitteln in Wider¬ spruch gerieth. Alsdann wurden meine Arbeiten unrein und ungeschickt, und der Meister war froh, mich der Unachtsamkeit und des Eigensinnes zu beschuldigen. Noch lange, ehe das zweite be¬ dungene Jahr zu Ende war, sah ich nicht viel mehr zu lernen, und übte mich, auf den Rath des Lehrers, in den verschiedensten Fertigkeiten, die dort sonst getrieben wurden. Ich radirte, laborirte in Scheidewasser, pfuschte auf Stein herum, fertigte schlecht gezeichnete, aber bunt¬ gemalte kleine Portraits an, half den Genossen die Kupferdrucke färben, lernte solche verpacken
wendung anhielt. Da jedoch die Natur nicht in Frage kam, oder doch nur hoͤchſt uͤberlieferungs¬ weiſe, ſo lernte ich bald, durch das endlich er¬ reichte Ziel, »mit Farben umzugehen,« zu neuem Fleiße gereizt, gefaͤrbte Zeichnungen hervorbrin¬ gen, wie ſie ungefaͤhr als das Beſte im Hauſe verlangt wurden, einzig aufgehalten und behin¬ dert, wenn ich geſehene Farben der Natur, die ſich mir waͤhrend des vielen Zeichnens eingepraͤgt hatten, anbringen wollte und dadurch mit den im Refectorium herkoͤmmlichen Mitteln in Wider¬ ſpruch gerieth. Alsdann wurden meine Arbeiten unrein und ungeſchickt, und der Meiſter war froh, mich der Unachtſamkeit und des Eigenſinnes zu beſchuldigen. Noch lange, ehe das zweite be¬ dungene Jahr zu Ende war, ſah ich nicht viel mehr zu lernen, und uͤbte mich, auf den Rath des Lehrers, in den verſchiedenſten Fertigkeiten, die dort ſonſt getrieben wurden. Ich radirte, laborirte in Scheidewaſſer, pfuſchte auf Stein herum, fertigte ſchlecht gezeichnete, aber bunt¬ gemalte kleine Portraits an, half den Genoſſen die Kupferdrucke faͤrben, lernte ſolche verpacken
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0206"n="196"/>
wendung anhielt. Da jedoch die Natur nicht in<lb/>
Frage kam, oder doch nur hoͤchſt uͤberlieferungs¬<lb/>
weiſe, ſo lernte ich bald, durch das endlich er¬<lb/>
reichte Ziel, »mit Farben umzugehen,« zu neuem<lb/>
Fleiße gereizt, gefaͤrbte Zeichnungen hervorbrin¬<lb/>
gen, wie ſie ungefaͤhr als das Beſte im Hauſe<lb/>
verlangt wurden, einzig aufgehalten und behin¬<lb/>
dert, wenn ich geſehene Farben der Natur, die<lb/>ſich mir waͤhrend des vielen Zeichnens eingepraͤgt<lb/>
hatten, anbringen wollte und dadurch mit den<lb/>
im Refectorium herkoͤmmlichen Mitteln in Wider¬<lb/>ſpruch gerieth. Alsdann wurden meine Arbeiten<lb/>
unrein und ungeſchickt, und der Meiſter war<lb/>
froh, mich der Unachtſamkeit und des Eigenſinnes<lb/>
zu beſchuldigen. Noch lange, ehe das zweite be¬<lb/>
dungene Jahr zu Ende war, ſah ich nicht viel<lb/>
mehr zu lernen, und uͤbte mich, auf den Rath<lb/>
des Lehrers, in den verſchiedenſten Fertigkeiten,<lb/>
die dort ſonſt getrieben wurden. Ich radirte,<lb/>
laborirte in Scheidewaſſer, pfuſchte auf Stein<lb/>
herum, fertigte ſchlecht gezeichnete, aber bunt¬<lb/>
gemalte kleine Portraits an, half den Genoſſen<lb/>
die Kupferdrucke faͤrben, lernte ſolche verpacken<lb/></p></div></body></text></TEI>
[196/0206]
wendung anhielt. Da jedoch die Natur nicht in
Frage kam, oder doch nur hoͤchſt uͤberlieferungs¬
weiſe, ſo lernte ich bald, durch das endlich er¬
reichte Ziel, »mit Farben umzugehen,« zu neuem
Fleiße gereizt, gefaͤrbte Zeichnungen hervorbrin¬
gen, wie ſie ungefaͤhr als das Beſte im Hauſe
verlangt wurden, einzig aufgehalten und behin¬
dert, wenn ich geſehene Farben der Natur, die
ſich mir waͤhrend des vielen Zeichnens eingepraͤgt
hatten, anbringen wollte und dadurch mit den
im Refectorium herkoͤmmlichen Mitteln in Wider¬
ſpruch gerieth. Alsdann wurden meine Arbeiten
unrein und ungeſchickt, und der Meiſter war
froh, mich der Unachtſamkeit und des Eigenſinnes
zu beſchuldigen. Noch lange, ehe das zweite be¬
dungene Jahr zu Ende war, ſah ich nicht viel
mehr zu lernen, und uͤbte mich, auf den Rath
des Lehrers, in den verſchiedenſten Fertigkeiten,
die dort ſonſt getrieben wurden. Ich radirte,
laborirte in Scheidewaſſer, pfuſchte auf Stein
herum, fertigte ſchlecht gezeichnete, aber bunt¬
gemalte kleine Portraits an, half den Genoſſen
die Kupferdrucke faͤrben, lernte ſolche verpacken
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/206>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.