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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Aber leider setzte ich, anstatt mich der praktische¬
ren und beliebteren Waffen meiner Genossen zu
bedienen, knabenhafter und ungalanter Weise den
Mädchen ihre eigene Kriegführung entgegen. Der
trotzige Stoicismus, welchen ich gegen das jung¬
fräuliche Selbstgenügen aufwandte, warf mich um
so schneller in eine isolirte und gefährliche Stel¬
lung, als ich in meiner Einfalt augenblicklich
selber daran glaubte und mit heftigem Ernste
verfuhr. Ich vereinigte sogleich alle Pfeile des
Spottes auf mich, als ein nicht zu duldender
Aufrührer; die männlichen Theilnehmer ließen
mich auch im Stich oder hetzten mich fälschlicher
Weise auf, um bei den erzürnten Mädchen desto
besser ihre Rechnung zu finden, worüber ich wie¬
der verdrießlich und eifersüchtig ward, und es
ärgerte mich gewaltig, wenn ich bemerkte, wie
mitten im Kriege die verständnißvollen Blicke
häufiger fielen und der schöne Feind seine Hände
den Burschen immer anhaltender und williger
überließ. Kurz, als die Gesellschaft auseinander
ging und ich die Treppe hinanstieg als ein er¬
klärter Weiberfeind, verfolgten mich die drei Basen,

Aber leider ſetzte ich, anſtatt mich der praktiſche¬
ren und beliebteren Waffen meiner Genoſſen zu
bedienen, knabenhafter und ungalanter Weiſe den
Maͤdchen ihre eigene Kriegfuͤhrung entgegen. Der
trotzige Stoicismus, welchen ich gegen das jung¬
fraͤuliche Selbſtgenuͤgen aufwandte, warf mich um
ſo ſchneller in eine iſolirte und gefaͤhrliche Stel¬
lung, als ich in meiner Einfalt augenblicklich
ſelber daran glaubte und mit heftigem Ernſte
verfuhr. Ich vereinigte ſogleich alle Pfeile des
Spottes auf mich, als ein nicht zu duldender
Aufruͤhrer; die maͤnnlichen Theilnehmer ließen
mich auch im Stich oder hetzten mich faͤlſchlicher
Weiſe auf, um bei den erzuͤrnten Maͤdchen deſto
beſſer ihre Rechnung zu finden, woruͤber ich wie¬
der verdrießlich und eiferſuͤchtig ward, und es
aͤrgerte mich gewaltig, wenn ich bemerkte, wie
mitten im Kriege die verſtaͤndnißvollen Blicke
haͤufiger fielen und der ſchoͤne Feind ſeine Haͤnde
den Burſchen immer anhaltender und williger
uͤberließ. Kurz, als die Geſellſchaft auseinander
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[221/0231] Aber leider ſetzte ich, anſtatt mich der praktiſche¬ ren und beliebteren Waffen meiner Genoſſen zu bedienen, knabenhafter und ungalanter Weiſe den Maͤdchen ihre eigene Kriegfuͤhrung entgegen. Der trotzige Stoicismus, welchen ich gegen das jung¬ fraͤuliche Selbſtgenuͤgen aufwandte, warf mich um ſo ſchneller in eine iſolirte und gefaͤhrliche Stel¬ lung, als ich in meiner Einfalt augenblicklich ſelber daran glaubte und mit heftigem Ernſte verfuhr. Ich vereinigte ſogleich alle Pfeile des Spottes auf mich, als ein nicht zu duldender Aufruͤhrer; die maͤnnlichen Theilnehmer ließen mich auch im Stich oder hetzten mich faͤlſchlicher Weiſe auf, um bei den erzuͤrnten Maͤdchen deſto beſſer ihre Rechnung zu finden, woruͤber ich wie¬ der verdrießlich und eiferſuͤchtig ward, und es aͤrgerte mich gewaltig, wenn ich bemerkte, wie mitten im Kriege die verſtaͤndnißvollen Blicke haͤufiger fielen und der ſchoͤne Feind ſeine Haͤnde den Burſchen immer anhaltender und williger uͤberließ. Kurz, als die Geſellſchaft auseinander ging und ich die Treppe hinanſtieg als ein er¬ klaͤrter Weiberfeind, verfolgten mich die drei Baſen,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/231>, abgerufen am 24.11.2024.