bei mir führte. Auch des Abends nach Sonnen¬ untergang ging ich oft mit der Flöte noch aus, strich hoch über den Berg, bis wo der See in der Tiefe und des Schulmeisters Haus daran lag und ließ dann meine selbsterfundenen Weisen oder auch ein schönes Liebeslied durch Nacht und Mondschein ertönen. Hierauf schien kein Mensch zu achten oder sich wenigstens so zu stellen; denn ich hätte sogleich aufgehört, wenn irgend Je¬ mand sich darum bekümmert hätte, und doch suchte ich gerade dies und blies meine Flöte wie Einer, der gehört sein will. So gingen die Sommermo¬ nate vorüber; ich verbarg das Bild sorgfältig und gedachte es noch lange zu verbergen, indem es von Jedermann als ein ziemlich deutliches Geständniß der Liebe angesehen werden mußte. An einem sonnigen Septembernachmittage, als der herbstliche Schein mild auf dem Garten lag und das Gemüth zur Freundlichkeit stimmte, wollte ich eben ausgehen, als ein ganz kleines Knäbchen mir die Botschaft brachte, ich möchte in die größere Gartenlaube kommen. Ich wußte, daß sämmtliche Mädchen dort mit Margot's Aus¬
bei mir fuͤhrte. Auch des Abends nach Sonnen¬ untergang ging ich oft mit der Floͤte noch aus, ſtrich hoch uͤber den Berg, bis wo der See in der Tiefe und des Schulmeiſters Haus daran lag und ließ dann meine ſelbſterfundenen Weiſen oder auch ein ſchoͤnes Liebeslied durch Nacht und Mondſchein ertoͤnen. Hierauf ſchien kein Menſch zu achten oder ſich wenigſtens ſo zu ſtellen; denn ich haͤtte ſogleich aufgehoͤrt, wenn irgend Je¬ mand ſich darum bekuͤmmert haͤtte, und doch ſuchte ich gerade dies und blies meine Floͤte wie Einer, der gehoͤrt ſein will. So gingen die Sommermo¬ nate voruͤber; ich verbarg das Bild ſorgfaͤltig und gedachte es noch lange zu verbergen, indem es von Jedermann als ein ziemlich deutliches Geſtaͤndniß der Liebe angeſehen werden mußte. An einem ſonnigen Septembernachmittage, als der herbſtliche Schein mild auf dem Garten lag und das Gemuͤth zur Freundlichkeit ſtimmte, wollte ich eben ausgehen, als ein ganz kleines Knaͤbchen mir die Botſchaft brachte, ich moͤchte in die groͤßere Gartenlaube kommen. Ich wußte, daß ſaͤmmtliche Maͤdchen dort mit Margot's Aus¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0279"n="269"/>
bei mir fuͤhrte. Auch des Abends nach Sonnen¬<lb/>
untergang ging ich oft mit der Floͤte noch aus,<lb/>ſtrich hoch uͤber den Berg, bis wo der See<lb/>
in der Tiefe und des Schulmeiſters Haus daran<lb/>
lag und ließ dann meine ſelbſterfundenen Weiſen<lb/>
oder auch ein ſchoͤnes Liebeslied durch Nacht und<lb/>
Mondſchein ertoͤnen. Hierauf ſchien kein Menſch<lb/>
zu achten oder ſich wenigſtens ſo zu ſtellen;<lb/>
denn ich haͤtte ſogleich aufgehoͤrt, wenn irgend Je¬<lb/>
mand ſich darum bekuͤmmert haͤtte, und doch ſuchte<lb/>
ich gerade dies und blies meine Floͤte wie Einer,<lb/>
der gehoͤrt ſein will. So gingen die Sommermo¬<lb/>
nate voruͤber; ich verbarg das Bild ſorgfaͤltig<lb/>
und gedachte es noch lange zu verbergen, indem<lb/>
es von Jedermann als ein ziemlich deutliches<lb/>
Geſtaͤndniß der Liebe angeſehen werden mußte.<lb/>
An einem ſonnigen Septembernachmittage, als<lb/>
der herbſtliche Schein mild auf dem Garten lag<lb/>
und das Gemuͤth zur Freundlichkeit ſtimmte,<lb/>
wollte ich eben ausgehen, als ein ganz kleines<lb/>
Knaͤbchen mir die Botſchaft brachte, ich moͤchte<lb/>
in die groͤßere Gartenlaube kommen. Ich wußte,<lb/>
daß ſaͤmmtliche Maͤdchen dort mit Margot's Aus¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[269/0279]
bei mir fuͤhrte. Auch des Abends nach Sonnen¬
untergang ging ich oft mit der Floͤte noch aus,
ſtrich hoch uͤber den Berg, bis wo der See
in der Tiefe und des Schulmeiſters Haus daran
lag und ließ dann meine ſelbſterfundenen Weiſen
oder auch ein ſchoͤnes Liebeslied durch Nacht und
Mondſchein ertoͤnen. Hierauf ſchien kein Menſch
zu achten oder ſich wenigſtens ſo zu ſtellen;
denn ich haͤtte ſogleich aufgehoͤrt, wenn irgend Je¬
mand ſich darum bekuͤmmert haͤtte, und doch ſuchte
ich gerade dies und blies meine Floͤte wie Einer,
der gehoͤrt ſein will. So gingen die Sommermo¬
nate voruͤber; ich verbarg das Bild ſorgfaͤltig
und gedachte es noch lange zu verbergen, indem
es von Jedermann als ein ziemlich deutliches
Geſtaͤndniß der Liebe angeſehen werden mußte.
An einem ſonnigen Septembernachmittage, als
der herbſtliche Schein mild auf dem Garten lag
und das Gemuͤth zur Freundlichkeit ſtimmte,
wollte ich eben ausgehen, als ein ganz kleines
Knaͤbchen mir die Botſchaft brachte, ich moͤchte
in die groͤßere Gartenlaube kommen. Ich wußte,
daß ſaͤmmtliche Maͤdchen dort mit Margot's Aus¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/279>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.