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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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gewiß von tausend Fanatikern, welche für ihre
religiöse Meinung im Blute wateten, neunhun¬
dert neun und neunzig nur aus dem Grunde den
Frieden verriethen und Scheiterhaufen anzünde¬
ten, weil ihnen aus dem Trotze der Verfolgten
das Wort Esel entgegen zu tönen schien. Nichts
haßte der Mann mehr, als die gewissenhafte und
redliche Forschung und die Entdeckungen der Wis¬
senschaft; wenn irgend ein Ergebniß derselben be¬
kannt wurde, so zappelte er mit Händen und
Füßen dagegen und suchte es lächerlich zu machen,
und wenn es sich als richtig erwies und seine
bedeutenden Folgen auf allen Gassen zu sehen
und zu greifen waren, so tobte er erst recht und
nannte es in's Angesicht eine Lüge. Das Ein¬
maleins und eine chemische Schaale waren ihm
unerträglicher, als dem Teufel Vaterunser und
Weihkessel; aber auch die Natur rächte sich lächelnd
an ihm. Denn während er die fünf Sinne nicht
gelten ließ, war er stets bemüht, dieselben durch
einige erfundene Sinne zu vermehren, durch deren
possierliche Ausmalung er die christliche Wunder¬
welt erklären wollte. Wenn er hiedurch vielfach

gewiß von tauſend Fanatikern, welche fuͤr ihre
religioͤſe Meinung im Blute wateten, neunhun¬
dert neun und neunzig nur aus dem Grunde den
Frieden verriethen und Scheiterhaufen anzuͤnde¬
ten, weil ihnen aus dem Trotze der Verfolgten
das Wort Eſel entgegen zu toͤnen ſchien. Nichts
haßte der Mann mehr, als die gewiſſenhafte und
redliche Forſchung und die Entdeckungen der Wiſ¬
ſenſchaft; wenn irgend ein Ergebniß derſelben be¬
kannt wurde, ſo zappelte er mit Haͤnden und
Fuͤßen dagegen und ſuchte es laͤcherlich zu machen,
und wenn es ſich als richtig erwies und ſeine
bedeutenden Folgen auf allen Gaſſen zu ſehen
und zu greifen waren, ſo tobte er erſt recht und
nannte es in's Angeſicht eine Luͤge. Das Ein¬
maleins und eine chemiſche Schaale waren ihm
unertraͤglicher, als dem Teufel Vaterunſer und
Weihkeſſel; aber auch die Natur raͤchte ſich laͤchelnd
an ihm. Denn waͤhrend er die fuͤnf Sinne nicht
gelten ließ, war er ſtets bemuͤht, dieſelben durch
einige erfundene Sinne zu vermehren, durch deren
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[312/0322] gewiß von tauſend Fanatikern, welche fuͤr ihre religioͤſe Meinung im Blute wateten, neunhun¬ dert neun und neunzig nur aus dem Grunde den Frieden verriethen und Scheiterhaufen anzuͤnde¬ ten, weil ihnen aus dem Trotze der Verfolgten das Wort Eſel entgegen zu toͤnen ſchien. Nichts haßte der Mann mehr, als die gewiſſenhafte und redliche Forſchung und die Entdeckungen der Wiſ¬ ſenſchaft; wenn irgend ein Ergebniß derſelben be¬ kannt wurde, ſo zappelte er mit Haͤnden und Fuͤßen dagegen und ſuchte es laͤcherlich zu machen, und wenn es ſich als richtig erwies und ſeine bedeutenden Folgen auf allen Gaſſen zu ſehen und zu greifen waren, ſo tobte er erſt recht und nannte es in's Angeſicht eine Luͤge. Das Ein¬ maleins und eine chemiſche Schaale waren ihm unertraͤglicher, als dem Teufel Vaterunſer und Weihkeſſel; aber auch die Natur raͤchte ſich laͤchelnd an ihm. Denn waͤhrend er die fuͤnf Sinne nicht gelten ließ, war er ſtets bemuͤht, dieſelben durch einige erfundene Sinne zu vermehren, durch deren poſſierliche Ausmalung er die chriſtliche Wunder¬ welt erklaͤren wollte. Wenn er hiedurch vielfach

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/322>, abgerufen am 25.11.2024.