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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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gegen den christlichen Geist verstieß und man ihm
dies durch das neue Testament bewies, so sagte
er, er pfeife auf das neue Testament, er habe
seinen eigenen Kopf, im gleichen Augenblicke, wo
er es das Buch des Lebens genannt hatte. Trotz
alledem glaubte er aufrichtig, denn nach irgend
einer Seite hin muß jeder Mensch sich ergeben,
und er glaubte um so aufrichtiger, als eines
Theils der Gegenstand des Glaubens unerwiesen,
unbegreiflich und überirdisch war, anderentheils
ihn das innere Gefühl seines verunglückten Witzes
sentimental und weinerlich machte.

Eines Tages ging er mit einer lustigen Ge¬
sellschaft über eine Felsenhöhe am Seeufer. Er
war ursprünglich gut gewachsen, doch die andau¬
ernde Verdrehtheit seiner Seele hatte seinen Kör¬
per ganz windschief gemacht, daß er aussah wie
ein verbogener Wetterhahn. Sein schöner Wuchs
war aber ein Lieblingsthema seiner Rede und
jeden Augenblick war er bereit, sich auszukleiden
und ihn zu zeigen, während er an allen Sterbli¬
chen etwas auszusetzen hatte, ungefragt diesem
einen Höcker andichtete, jenem krumme Beine

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gegen den chriſtlichen Geiſt verſtieß und man ihm
dies durch das neue Teſtament bewies, ſo ſagte
er, er pfeife auf das neue Teſtament, er habe
ſeinen eigenen Kopf, im gleichen Augenblicke, wo
er es das Buch des Lebens genannt hatte. Trotz
alledem glaubte er aufrichtig, denn nach irgend
einer Seite hin muß jeder Menſch ſich ergeben,
und er glaubte um ſo aufrichtiger, als eines
Theils der Gegenſtand des Glaubens unerwieſen,
unbegreiflich und uͤberirdiſch war, anderentheils
ihn das innere Gefuͤhl ſeines verungluͤckten Witzes
ſentimental und weinerlich machte.

Eines Tages ging er mit einer luſtigen Ge¬
ſellſchaft uͤber eine Felſenhoͤhe am Seeufer. Er
war urſpruͤnglich gut gewachſen, doch die andau¬
ernde Verdrehtheit ſeiner Seele hatte ſeinen Koͤr¬
per ganz windſchief gemacht, daß er ausſah wie
ein verbogener Wetterhahn. Sein ſchoͤner Wuchs
war aber ein Lieblingsthema ſeiner Rede und
jeden Augenblick war er bereit, ſich auszukleiden
und ihn zu zeigen, waͤhrend er an allen Sterbli¬
chen etwas auszuſetzen hatte, ungefragt dieſem
einen Hoͤcker andichtete, jenem krumme Beine

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[313/0323] gegen den chriſtlichen Geiſt verſtieß und man ihm dies durch das neue Teſtament bewies, ſo ſagte er, er pfeife auf das neue Teſtament, er habe ſeinen eigenen Kopf, im gleichen Augenblicke, wo er es das Buch des Lebens genannt hatte. Trotz alledem glaubte er aufrichtig, denn nach irgend einer Seite hin muß jeder Menſch ſich ergeben, und er glaubte um ſo aufrichtiger, als eines Theils der Gegenſtand des Glaubens unerwieſen, unbegreiflich und uͤberirdiſch war, anderentheils ihn das innere Gefuͤhl ſeines verungluͤckten Witzes ſentimental und weinerlich machte. Eines Tages ging er mit einer luſtigen Ge¬ ſellſchaft uͤber eine Felſenhoͤhe am Seeufer. Er war urſpruͤnglich gut gewachſen, doch die andau¬ ernde Verdrehtheit ſeiner Seele hatte ſeinen Koͤr¬ per ganz windſchief gemacht, daß er ausſah wie ein verbogener Wetterhahn. Sein ſchoͤner Wuchs war aber ein Lieblingsthema ſeiner Rede und jeden Augenblick war er bereit, ſich auszukleiden und ihn zu zeigen, waͤhrend er an allen Sterbli¬ chen etwas auszuſetzen hatte, ungefragt dieſem einen Hoͤcker andichtete, jenem krumme Beine 20 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/323>, abgerufen am 25.11.2024.