Freude machte. Ich sah nun das Land auch im Winter, die Winterbeschäftigungen und Winter¬ freuden der Landleute und wie dieselben dem er¬ wachenden Frühling entgegengehen.
Man legte der Aufführung Schiller's Tell zu Grunde, welcher in einer Volksschulausgabe viel¬ fach vorhanden war und welchem nur die Liebes¬ episode zwischen Bertha von Brunneck und Ul¬ rich von Rudenz fehlte. Das Buch ist den Leu¬ ten sehr geläufig, denn es drückt auf eine wun¬ derbar richtige Weise die schweizerische Gesinnung aus, und besonders der Charakter des Tell ent¬ spricht ganz der Wahrheit und dem Leben, und wenn Börne darin nur ein selbstsüchtiges und philiströses Ungeheuer finden konnte, so scheint mir dies ein Beweis zu sein, wie wenig die krankhafte Empfindsamkeit der Unterdrückten geeig¬ net ist, die Art und Weise unabhängiger Männer zu begreifen. Weitaus der größere Theil der Theil¬ nehmer sollte als Hirten, Bauern, Fischer, Jä¬ ger das Volk darstellen und in seiner Masse von Schauplatz zu Schauplatz ziehen, wo die Handlung vor sich ging, getragen durch Solche, welche sich zu
Freude machte. Ich ſah nun das Land auch im Winter, die Winterbeſchaͤftigungen und Winter¬ freuden der Landleute und wie dieſelben dem er¬ wachenden Fruͤhling entgegengehen.
Man legte der Auffuͤhrung Schiller's Tell zu Grunde, welcher in einer Volksſchulausgabe viel¬ fach vorhanden war und welchem nur die Liebes¬ epiſode zwiſchen Bertha von Brunneck und Ul¬ rich von Rudenz fehlte. Das Buch iſt den Leu¬ ten ſehr gelaͤufig, denn es druͤckt auf eine wun¬ derbar richtige Weiſe die ſchweizeriſche Geſinnung aus, und beſonders der Charakter des Tell ent¬ ſpricht ganz der Wahrheit und dem Leben, und wenn Boͤrne darin nur ein ſelbſtſuͤchtiges und philiſtroͤſes Ungeheuer finden konnte, ſo ſcheint mir dies ein Beweis zu ſein, wie wenig die krankhafte Empfindſamkeit der Unterdruͤckten geeig¬ net iſt, die Art und Weiſe unabhaͤngiger Maͤnner zu begreifen. Weitaus der groͤßere Theil der Theil¬ nehmer ſollte als Hirten, Bauern, Fiſcher, Jaͤ¬ ger das Volk darſtellen und in ſeiner Maſſe von Schauplatz zu Schauplatz ziehen, wo die Handlung vor ſich ging, getragen durch Solche, welche ſich zu
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Freude machte. Ich ſah nun das Land auch im
Winter, die Winterbeſchaͤftigungen und Winter¬
freuden der Landleute und wie dieſelben dem er¬
wachenden Fruͤhling entgegengehen.
Man legte der Auffuͤhrung Schiller's Tell zu
Grunde, welcher in einer Volksſchulausgabe viel¬
fach vorhanden war und welchem nur die Liebes¬
epiſode zwiſchen Bertha von Brunneck und Ul¬
rich von Rudenz fehlte. Das Buch iſt den Leu¬
ten ſehr gelaͤufig, denn es druͤckt auf eine wun¬
derbar richtige Weiſe die ſchweizeriſche Geſinnung
aus, und beſonders der Charakter des Tell ent¬
ſpricht ganz der Wahrheit und dem Leben, und
wenn Boͤrne darin nur ein ſelbſtſuͤchtiges und
philiſtroͤſes Ungeheuer finden konnte, ſo ſcheint
mir dies ein Beweis zu ſein, wie wenig die
krankhafte Empfindſamkeit der Unterdruͤckten geeig¬
net iſt, die Art und Weiſe unabhaͤngiger Maͤnner
zu begreifen. Weitaus der groͤßere Theil der Theil¬
nehmer ſollte als Hirten, Bauern, Fiſcher, Jaͤ¬
ger das Volk darſtellen und in ſeiner Maſſe von
Schauplatz zu Schauplatz ziehen, wo die Handlung
vor ſich ging, getragen durch Solche, welche ſich zu
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/352>, abgerufen am 23.11.2024.
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