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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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schmuggelt worden, und als Geßler den Jungen
grimmig anfuhr, was das zu bedeuten hätte, er¬
wiederte dieser keck: Herr! Mein Vater ist ein
so guter Schütz, daß er sich schämen würde, auf
einen so großen Apfel zu schießen! Legt mir
einen auf, der nicht größer ist, als Euere Barm¬
herzigkeit und der Vater wird ihn um so besser
treffen! Als der Tell schoß, schien es ihm fast
leid zu thun, daß er nicht seine Kugelbüchse zur
Hand hatte und nur einen blinden Theaterschuß
absenden konnte. Doch zitterte er wirklich und
unwillkürlich, indem er anlegte, so sehr war er
von der Ehre durchdrungen, diese geheiligte Hand¬
lung darstellen zu dürfen. Und als er dem Ty¬
rannen den zweiten Pfeil drohend unter die Au¬
gen hielt, während alles Volk in athemloser Be¬
klemmung zusah, da zitterte seine Hand wieder
mit dem Pfeile, er durchbohrte den Geßler mit
den Augen und seine Stimme erhob sich einen
Augenblick lang mit solcher Gewalt der Leiden¬
schaft, daß Geßler erblaßte und ein Schrecken
über den ganzen Markt fuhr. Dann verbreitete
sich ein frohes Gemurmel, tief tönend, man

ſchmuggelt worden, und als Geßler den Jungen
grimmig anfuhr, was das zu bedeuten haͤtte, er¬
wiederte dieſer keck: Herr! Mein Vater iſt ein
ſo guter Schuͤtz, daß er ſich ſchaͤmen wuͤrde, auf
einen ſo großen Apfel zu ſchießen! Legt mir
einen auf, der nicht groͤßer iſt, als Euere Barm¬
herzigkeit und der Vater wird ihn um ſo beſſer
treffen! Als der Tell ſchoß, ſchien es ihm faſt
leid zu thun, daß er nicht ſeine Kugelbuͤchſe zur
Hand hatte und nur einen blinden Theaterſchuß
abſenden konnte. Doch zitterte er wirklich und
unwillkuͤrlich, indem er anlegte, ſo ſehr war er
von der Ehre durchdrungen, dieſe geheiligte Hand¬
lung darſtellen zu duͤrfen. Und als er dem Ty¬
rannen den zweiten Pfeil drohend unter die Au¬
gen hielt, waͤhrend alles Volk in athemloſer Be¬
klemmung zuſah, da zitterte ſeine Hand wieder
mit dem Pfeile, er durchbohrte den Geßler mit
den Augen und ſeine Stimme erhob ſich einen
Augenblick lang mit ſolcher Gewalt der Leiden¬
ſchaft, daß Geßler erblaßte und ein Schrecken
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[365/0375] ſchmuggelt worden, und als Geßler den Jungen grimmig anfuhr, was das zu bedeuten haͤtte, er¬ wiederte dieſer keck: Herr! Mein Vater iſt ein ſo guter Schuͤtz, daß er ſich ſchaͤmen wuͤrde, auf einen ſo großen Apfel zu ſchießen! Legt mir einen auf, der nicht groͤßer iſt, als Euere Barm¬ herzigkeit und der Vater wird ihn um ſo beſſer treffen! Als der Tell ſchoß, ſchien es ihm faſt leid zu thun, daß er nicht ſeine Kugelbuͤchſe zur Hand hatte und nur einen blinden Theaterſchuß abſenden konnte. Doch zitterte er wirklich und unwillkuͤrlich, indem er anlegte, ſo ſehr war er von der Ehre durchdrungen, dieſe geheiligte Hand¬ lung darſtellen zu duͤrfen. Und als er dem Ty¬ rannen den zweiten Pfeil drohend unter die Au¬ gen hielt, waͤhrend alles Volk in athemloſer Be¬ klemmung zuſah, da zitterte ſeine Hand wieder mit dem Pfeile, er durchbohrte den Geßler mit den Augen und ſeine Stimme erhob ſich einen Augenblick lang mit ſolcher Gewalt der Leiden¬ ſchaft, daß Geßler erblaßte und ein Schrecken uͤber den ganzen Markt fuhr. Dann verbreitete ſich ein frohes Gemurmel, tief toͤnend, man

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/375>, abgerufen am 27.11.2024.