dieser Meinung und er hat manchmal so düstere und prüfungsreiche Stunden, wie man es seiner heiteren und freundlichen Weise nicht zumuthen würde. Von Natur nämlich ist er eben so feu¬ riger Gemüthsart, als von einem großen und klaren Verstande begabt, und daher mehr dazu geschaffen, im Kampfe der Grundsätze beim Auf¬ einanderplatzen der Geister einen tapferen Führer abzugeben und im Großen Menschen zu bestim¬ men, als in ein und demselben Amte ein stehen¬ der Verwalter zu sein. Allein er hat nicht den Muth, auf einen Tag brotlos zu werden, er hat gar keine Ahnung davon, wie sich die Vögel und die Lilien des Feldes ohne ein fixes Einkommen nähren und kleiden, und daher hat er sich der Geltendmachung seiner eigenen Meinungen bege¬ ben. Schon mehr als ein Mal, wenn durch den Parteienkampf Regierungswechsel herbeigeführt wurden und der siegende Theil den unterlegenen durch ungesetzliche Maßregeln zwacken wollte, hat er sich wie ein Ehrenmann in seinem Amte da¬ gegen gestemmt, aber das, was er seinem Tem¬ perament nach am liebsten gethan hätte, nämlich
dieſer Meinung und er hat manchmal ſo duͤſtere und pruͤfungsreiche Stunden, wie man es ſeiner heiteren und freundlichen Weiſe nicht zumuthen wuͤrde. Von Natur naͤmlich iſt er eben ſo feu¬ riger Gemuͤthsart, als von einem großen und klaren Verſtande begabt, und daher mehr dazu geſchaffen, im Kampfe der Grundſaͤtze beim Auf¬ einanderplatzen der Geiſter einen tapferen Fuͤhrer abzugeben und im Großen Menſchen zu beſtim¬ men, als in ein und demſelben Amte ein ſtehen¬ der Verwalter zu ſein. Allein er hat nicht den Muth, auf einen Tag brotlos zu werden, er hat gar keine Ahnung davon, wie ſich die Voͤgel und die Lilien des Feldes ohne ein fixes Einkommen naͤhren und kleiden, und daher hat er ſich der Geltendmachung ſeiner eigenen Meinungen bege¬ ben. Schon mehr als ein Mal, wenn durch den Parteienkampf Regierungswechſel herbeigefuͤhrt wurden und der ſiegende Theil den unterlegenen durch ungeſetzliche Maßregeln zwacken wollte, hat er ſich wie ein Ehrenmann in ſeinem Amte da¬ gegen geſtemmt, aber das, was er ſeinem Tem¬ perament nach am liebſten gethan haͤtte, naͤmlich
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dieſer Meinung und er hat manchmal ſo duͤſtere
und pruͤfungsreiche Stunden, wie man es ſeiner
heiteren und freundlichen Weiſe nicht zumuthen
wuͤrde. Von Natur naͤmlich iſt er eben ſo feu¬
riger Gemuͤthsart, als von einem großen und
klaren Verſtande begabt, und daher mehr dazu
geſchaffen, im Kampfe der Grundſaͤtze beim Auf¬
einanderplatzen der Geiſter einen tapferen Fuͤhrer
abzugeben und im Großen Menſchen zu beſtim¬
men, als in ein und demſelben Amte ein ſtehen¬
der Verwalter zu ſein. Allein er hat nicht den
Muth, auf einen Tag brotlos zu werden, er hat
gar keine Ahnung davon, wie ſich die Voͤgel und
die Lilien des Feldes ohne ein fixes Einkommen
naͤhren und kleiden, und daher hat er ſich der
Geltendmachung ſeiner eigenen Meinungen bege¬
ben. Schon mehr als ein Mal, wenn durch den
Parteienkampf Regierungswechſel herbeigefuͤhrt
wurden und der ſiegende Theil den unterlegenen
durch ungeſetzliche Maßregeln zwacken wollte, hat
er ſich wie ein Ehrenmann in ſeinem Amte da¬
gegen geſtemmt, aber das, was er ſeinem Tem¬
perament nach am liebſten gethan haͤtte, naͤmlich
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/406>, abgerufen am 23.11.2024.
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