die Leute gar Nichts mehr hören wollten und Alles von selber seinen ziemlich wilden Gang ginge: er habe daher, rief er, nun die schönste Muße, uns Beiden zu der Jagdscene zu souf¬ fliren, die wir ohne Zweifel aufzuführen so ein¬ sam ausgezogen wären; es sei auch die höchste Zeit dazu und wir wollten uns ungesäumt an's Werk machen!
Ich wurde roth und trieb die Pferde an: aber der Philosoph fiel uns in die Zügel; Anna fragte, was denn das wäre mit der Jagdscene, worauf er lachend ausrief: er werde uns doch nicht sagen müssen, was alle Welt belustige und uns ohne Zweifel mehr, als alle Welt! Anna wurde nun auch roth und verlangte standhaft zu wissen, was er meine. Da reichte er ihr das aufgeschlagene Buch, und während mein Brauner und ihr Schim¬ mel behaglich sich beschnupperten, ich aber wie auf Kohlen saß, las sie, das Buch auf dem rechten Knie haltend, aufmerksam die Scene, wo Rudenz und Bertha ihr schönes Bündniß schlie¬ ßen, von Anfang bis zu Ende, mehr und mehr erröthend. Die Schlinge kam nun an den Tag,
die Leute gar Nichts mehr hoͤren wollten und Alles von ſelber ſeinen ziemlich wilden Gang ginge: er habe daher, rief er, nun die ſchoͤnſte Muße, uns Beiden zu der Jagdſcene zu ſouf¬ fliren, die wir ohne Zweifel aufzufuͤhren ſo ein¬ ſam ausgezogen waͤren; es ſei auch die hoͤchſte Zeit dazu und wir wollten uns ungeſaͤumt an's Werk machen!
Ich wurde roth und trieb die Pferde an: aber der Philoſoph fiel uns in die Zuͤgel; Anna fragte, was denn das waͤre mit der Jagdſcene, worauf er lachend ausrief: er werde uns doch nicht ſagen muͤſſen, was alle Welt beluſtige und uns ohne Zweifel mehr, als alle Welt! Anna wurde nun auch roth und verlangte ſtandhaft zu wiſſen, was er meine. Da reichte er ihr das aufgeſchlagene Buch, und waͤhrend mein Brauner und ihr Schim¬ mel behaglich ſich beſchnupperten, ich aber wie auf Kohlen ſaß, las ſie, das Buch auf dem rechten Knie haltend, aufmerkſam die Scene, wo Rudenz und Bertha ihr ſchoͤnes Buͤndniß ſchlie¬ ßen, von Anfang bis zu Ende, mehr und mehr erroͤthend. Die Schlinge kam nun an den Tag,
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die Leute gar Nichts mehr hoͤren wollten und
Alles von ſelber ſeinen ziemlich wilden Gang
ginge: er habe daher, rief er, nun die ſchoͤnſte
Muße, uns Beiden zu der Jagdſcene zu ſouf¬
fliren, die wir ohne Zweifel aufzufuͤhren ſo ein¬
ſam ausgezogen waͤren; es ſei auch die hoͤchſte
Zeit dazu und wir wollten uns ungeſaͤumt an's
Werk machen!
Ich wurde roth und trieb die Pferde an: aber
der Philoſoph fiel uns in die Zuͤgel; Anna fragte,
was denn das waͤre mit der Jagdſcene, worauf
er lachend ausrief: er werde uns doch nicht ſagen
muͤſſen, was alle Welt beluſtige und uns ohne
Zweifel mehr, als alle Welt! Anna wurde nun
auch roth und verlangte ſtandhaft zu wiſſen, was
er meine. Da reichte er ihr das aufgeſchlagene
Buch, und waͤhrend mein Brauner und ihr Schim¬
mel behaglich ſich beſchnupperten, ich aber wie
auf Kohlen ſaß, las ſie, das Buch auf dem
rechten Knie haltend, aufmerkſam die Scene, wo
Rudenz und Bertha ihr ſchoͤnes Buͤndniß ſchlie¬
ßen, von Anfang bis zu Ende, mehr und mehr
erroͤthend. Die Schlinge kam nun an den Tag,
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/414>, abgerufen am 23.11.2024.
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