welche ich ihr so harmlos gelegt, der Philosoph rüstete sich sichtbar zu endlosem Unfuge, als Anna plötzlich das Buch zuschlug, es hinwarf, und höchst entschieden erklärte, sie wolle sogleich nach Hause. Zugleich wandte sie ihr Pferd und begann feld¬ ein zu reiten auf einem schmalen Fahrwege, un¬ gefähr in der Richtung nach unserm Dorfe, Ver¬ legen und unentschlossen sah ich ihr eine Weile nach; doch faßte ich mir ein Herz und trabte bald hinter ihr her, da sie doch einen Begleiter haben mußte; während ich sie erreichte, sang uns der Philosoph ein loses Lied nach, welches jedoch immer schwächer hinter uns verklang, und zuletzt hörten wir nichts mehr als die muntere, aber ferne Hochzeitsmusik aus der hohlen Gasse und vereinzelte Freudenrufe und Jauchzer an verschie¬ denen Punkten der Landschaft. Diese erschien aber durch die Unterbrechungen nur um so stiller und lag mit Feldern und Wäldern friedevoll und doch so freudenvoll im Glanze der Nachmittags¬ sonne, wie im reinsten Golde. Wir ritten nun auf einer gestreckten Höhe, ich hielt mein Pferd immer noch um eine Kopflänge hinter dem ihri¬
welche ich ihr ſo harmlos gelegt, der Philoſoph ruͤſtete ſich ſichtbar zu endloſem Unfuge, als Anna ploͤtzlich das Buch zuſchlug, es hinwarf, und hoͤchſt entſchieden erklaͤrte, ſie wolle ſogleich nach Hauſe. Zugleich wandte ſie ihr Pferd und begann feld¬ ein zu reiten auf einem ſchmalen Fahrwege, un¬ gefaͤhr in der Richtung nach unſerm Dorfe, Ver¬ legen und unentſchloſſen ſah ich ihr eine Weile nach; doch faßte ich mir ein Herz und trabte bald hinter ihr her, da ſie doch einen Begleiter haben mußte; waͤhrend ich ſie erreichte, ſang uns der Philoſoph ein loſes Lied nach, welches jedoch immer ſchwaͤcher hinter uns verklang, und zuletzt hoͤrten wir nichts mehr als die muntere, aber ferne Hochzeitsmuſik aus der hohlen Gaſſe und vereinzelte Freudenrufe und Jauchzer an verſchie¬ denen Punkten der Landſchaft. Dieſe erſchien aber durch die Unterbrechungen nur um ſo ſtiller und lag mit Feldern und Waͤldern friedevoll und doch ſo freudenvoll im Glanze der Nachmittags¬ ſonne, wie im reinſten Golde. Wir ritten nun auf einer geſtreckten Hoͤhe, ich hielt mein Pferd immer noch um eine Kopflaͤnge hinter dem ihri¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0415"n="405"/>
welche ich ihr ſo harmlos gelegt, der Philoſoph<lb/>
ruͤſtete ſich ſichtbar zu endloſem Unfuge, als Anna<lb/>
ploͤtzlich das Buch zuſchlug, es hinwarf, und hoͤchſt<lb/>
entſchieden erklaͤrte, ſie wolle ſogleich nach Hauſe.<lb/>
Zugleich wandte ſie ihr Pferd und begann feld¬<lb/>
ein zu reiten auf einem ſchmalen Fahrwege, un¬<lb/>
gefaͤhr in der Richtung nach unſerm Dorfe, Ver¬<lb/>
legen und unentſchloſſen ſah ich ihr eine Weile<lb/>
nach; doch faßte ich mir ein Herz und trabte<lb/>
bald hinter ihr her, da ſie doch einen Begleiter<lb/>
haben mußte; waͤhrend ich ſie erreichte, ſang uns<lb/>
der Philoſoph ein loſes Lied nach, welches jedoch<lb/>
immer ſchwaͤcher hinter uns verklang, und zuletzt<lb/>
hoͤrten wir nichts mehr als die muntere, aber<lb/>
ferne Hochzeitsmuſik aus der hohlen Gaſſe und<lb/>
vereinzelte Freudenrufe und Jauchzer an verſchie¬<lb/>
denen Punkten der Landſchaft. Dieſe erſchien<lb/>
aber durch die Unterbrechungen nur um ſo ſtiller<lb/>
und lag mit Feldern und Waͤldern friedevoll und<lb/>
doch ſo freudenvoll im Glanze der Nachmittags¬<lb/>ſonne, wie im reinſten Golde. Wir ritten nun<lb/>
auf einer geſtreckten Hoͤhe, ich hielt mein Pferd<lb/>
immer noch um eine Kopflaͤnge hinter dem ihri¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[405/0415]
welche ich ihr ſo harmlos gelegt, der Philoſoph
ruͤſtete ſich ſichtbar zu endloſem Unfuge, als Anna
ploͤtzlich das Buch zuſchlug, es hinwarf, und hoͤchſt
entſchieden erklaͤrte, ſie wolle ſogleich nach Hauſe.
Zugleich wandte ſie ihr Pferd und begann feld¬
ein zu reiten auf einem ſchmalen Fahrwege, un¬
gefaͤhr in der Richtung nach unſerm Dorfe, Ver¬
legen und unentſchloſſen ſah ich ihr eine Weile
nach; doch faßte ich mir ein Herz und trabte
bald hinter ihr her, da ſie doch einen Begleiter
haben mußte; waͤhrend ich ſie erreichte, ſang uns
der Philoſoph ein loſes Lied nach, welches jedoch
immer ſchwaͤcher hinter uns verklang, und zuletzt
hoͤrten wir nichts mehr als die muntere, aber
ferne Hochzeitsmuſik aus der hohlen Gaſſe und
vereinzelte Freudenrufe und Jauchzer an verſchie¬
denen Punkten der Landſchaft. Dieſe erſchien
aber durch die Unterbrechungen nur um ſo ſtiller
und lag mit Feldern und Waͤldern friedevoll und
doch ſo freudenvoll im Glanze der Nachmittags¬
ſonne, wie im reinſten Golde. Wir ritten nun
auf einer geſtreckten Hoͤhe, ich hielt mein Pferd
immer noch um eine Kopflaͤnge hinter dem ihri¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/415>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.