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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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geh'!" sagte sie lächelnd, doch löste sie ihre wei¬
chen nackten Arme auf eine so sonderbare Weise
aus einander, daß es mir schneidend weh that,
mich frei zu fühlen, und eben wieder im Begriffe
war, in dieselben zu sinken, als sie aufsprang,
mich noch einmal küßte und dann von sich stieß,
indem sie leise sagte: "Nun pack' dich, es ist jetzt
Zeit, daß du heim kommst!" Beschämt suchte
ich meinen Hut und eilte davon, daß sie laut
lachte und mir kaum nachkommen konnte, um
mir die Hausthüre aufzumachen. "Halt," flüsterte
sie, als ich davon laufen wollte, "geh' da oben
durch den Baumgarten hinaus und ein wenig
um's Dorf herum!" und sie kam mit mir durch
den Garten in ihrem leichten Gewande, obgleich
es regnete und stürmte, was vom Himmel herun¬
ter mochte. Am Gatter stand sie still und sagte:
"Hör' einmal! ich sehe nie einen Mann in meinem
Hause und du bist der Erste, den ich seit langer
Zeit geküßt! Ich habe Lust, dir nun erst recht
treu zu bleiben, frage mich nicht warum, ich muß
etwas probiren für die lange Zeit und es macht
mir Spaß. Dafür verlange ich aber, daß du je¬

geh'!« ſagte ſie laͤchelnd, doch loͤſte ſie ihre wei¬
chen nackten Arme auf eine ſo ſonderbare Weiſe
aus einander, daß es mir ſchneidend weh that,
mich frei zu fuͤhlen, und eben wieder im Begriffe
war, in dieſelben zu ſinken, als ſie aufſprang,
mich noch einmal kuͤßte und dann von ſich ſtieß,
indem ſie leiſe ſagte: »Nun pack' dich, es iſt jetzt
Zeit, daß du heim kommſt!« Beſchaͤmt ſuchte
ich meinen Hut und eilte davon, daß ſie laut
lachte und mir kaum nachkommen konnte, um
mir die Hausthuͤre aufzumachen. »Halt,« fluͤſterte
ſie, als ich davon laufen wollte, »geh' da oben
durch den Baumgarten hinaus und ein wenig
um's Dorf herum!« und ſie kam mit mir durch
den Garten in ihrem leichten Gewande, obgleich
es regnete und ſtuͤrmte, was vom Himmel herun¬
ter mochte. Am Gatter ſtand ſie ſtill und ſagte:
»Hoͤr' einmal! ich ſehe nie einen Mann in meinem
Hauſe und du biſt der Erſte, den ich ſeit langer
Zeit gekuͤßt! Ich habe Luſt, dir nun erſt recht
treu zu bleiben, frage mich nicht warum, ich muß
etwas probiren fuͤr die lange Zeit und es macht
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[453/0463] geh'!« ſagte ſie laͤchelnd, doch loͤſte ſie ihre wei¬ chen nackten Arme auf eine ſo ſonderbare Weiſe aus einander, daß es mir ſchneidend weh that, mich frei zu fuͤhlen, und eben wieder im Begriffe war, in dieſelben zu ſinken, als ſie aufſprang, mich noch einmal kuͤßte und dann von ſich ſtieß, indem ſie leiſe ſagte: »Nun pack' dich, es iſt jetzt Zeit, daß du heim kommſt!« Beſchaͤmt ſuchte ich meinen Hut und eilte davon, daß ſie laut lachte und mir kaum nachkommen konnte, um mir die Hausthuͤre aufzumachen. »Halt,« fluͤſterte ſie, als ich davon laufen wollte, »geh' da oben durch den Baumgarten hinaus und ein wenig um's Dorf herum!« und ſie kam mit mir durch den Garten in ihrem leichten Gewande, obgleich es regnete und ſtuͤrmte, was vom Himmel herun¬ ter mochte. Am Gatter ſtand ſie ſtill und ſagte: »Hoͤr' einmal! ich ſehe nie einen Mann in meinem Hauſe und du biſt der Erſte, den ich ſeit langer Zeit gekuͤßt! Ich habe Luſt, dir nun erſt recht treu zu bleiben, frage mich nicht warum, ich muß etwas probiren fuͤr die lange Zeit und es macht mir Spaß. Dafuͤr verlange ich aber, daß du je¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/463>, abgerufen am 24.11.2024.