bild mich an, wie ein Zwerg aus einem Hohl¬ spiegel, die lebendige Buche aber strahlte noch einen Augenblick in noch größerer Majestät als vorher, wie um meine Ohnmacht zu verspotten; dann trat die Abendsonne hinter den Berg und mit ihr verschwand der Baum im Schatten sei¬ ner Brüder. Ich sah nichts mehr, als Eine grüne Wirrniß und das Spottbild auf meinen Knieen. Ich zerriß dasselbe, und so hochmüthig und anspruchsvoll ich in den Wald gekommen, so kleinlaut und gedemüthigt war ich nun. Ich fühlte mich abgewiesen und hinausgeworfen aus dem Tempel meiner jugendlichen Hoffnung, der tröstende Inhalt des Lebens, den ich gefunden zu haben wähnte, entschwand meinem innern Blicke und ich kam mir nun vor, wie ein wirklicher Taugenichts, mit welchem wenig anzufangen sei. Ich brach verzagt und weinerlich auf, mit ge¬ brochenem Muthe nach einem andern Gegenstande suchend, welcher sich barmherziger gegen mich er¬ wiese. Allein die Natur, mehr und mehr sich verdunkelnd und verschmelzend, ließ mir kein Al¬ mosen ab; in meiner Bedrängniß that sich mir
bild mich an, wie ein Zwerg aus einem Hohl¬ ſpiegel, die lebendige Buche aber ſtrahlte noch einen Augenblick in noch groͤßerer Majeſtaͤt als vorher, wie um meine Ohnmacht zu verſpotten; dann trat die Abendſonne hinter den Berg und mit ihr verſchwand der Baum im Schatten ſei¬ ner Bruͤder. Ich ſah nichts mehr, als Eine gruͤne Wirrniß und das Spottbild auf meinen Knieen. Ich zerriß daſſelbe, und ſo hochmuͤthig und anſpruchsvoll ich in den Wald gekommen, ſo kleinlaut und gedemuͤthigt war ich nun. Ich fuͤhlte mich abgewieſen und hinausgeworfen aus dem Tempel meiner jugendlichen Hoffnung, der troͤſtende Inhalt des Lebens, den ich gefunden zu haben waͤhnte, entſchwand meinem innern Blicke und ich kam mir nun vor, wie ein wirklicher Taugenichts, mit welchem wenig anzufangen ſei. Ich brach verzagt und weinerlich auf, mit ge¬ brochenem Muthe nach einem andern Gegenſtande ſuchend, welcher ſich barmherziger gegen mich er¬ wieſe. Allein die Natur, mehr und mehr ſich verdunkelnd und verſchmelzend, ließ mir kein Al¬ moſen ab; in meiner Bedraͤngniß that ſich mir
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bild mich an, wie ein Zwerg aus einem Hohl¬
ſpiegel, die lebendige Buche aber ſtrahlte noch
einen Augenblick in noch groͤßerer Majeſtaͤt als
vorher, wie um meine Ohnmacht zu verſpotten;
dann trat die Abendſonne hinter den Berg und
mit ihr verſchwand der Baum im Schatten ſei¬
ner Bruͤder. Ich ſah nichts mehr, als Eine
gruͤne Wirrniß und das Spottbild auf meinen
Knieen. Ich zerriß daſſelbe, und ſo hochmuͤthig
und anſpruchsvoll ich in den Wald gekommen,
ſo kleinlaut und gedemuͤthigt war ich nun. Ich
fuͤhlte mich abgewieſen und hinausgeworfen aus
dem Tempel meiner jugendlichen Hoffnung, der
troͤſtende Inhalt des Lebens, den ich gefunden zu
haben waͤhnte, entſchwand meinem innern Blicke
und ich kam mir nun vor, wie ein wirklicher
Taugenichts, mit welchem wenig anzufangen ſei.
Ich brach verzagt und weinerlich auf, mit ge¬
brochenem Muthe nach einem andern Gegenſtande
ſuchend, welcher ſich barmherziger gegen mich er¬
wieſe. Allein die Natur, mehr und mehr ſich
verdunkelnd und verſchmelzend, ließ mir kein Al¬
moſen ab; in meiner Bedraͤngniß that ſich mir
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/56>, abgerufen am 04.12.2024.
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