versehen hatte. Die abgefallenen Stücke dieser Zierrath gingen unter der Dorfjugend als gang¬ bare Münze und wogen beim Spiele sechs Horn¬ oder Bleiknöpfe auf. Daher mochte es kommen, daß die Jacken des jüngsten Sohnes, welcher noch in lebhaftem Verkehre mit den Knopfkapi¬ talisten stand, äußerlich immer dieser Zierde be¬ raubt waren und sie dagegen im Innern ihrer Taschen verbargen, daß sogar den Kleidungs¬ stücken der älteren Brüder mehr Knöpfe abgin¬ gen, als nach der Haltbarkeit des derben Zwir¬ nes jenes Jackendichters zu berechnen war. Ich selber trug zu meinem grünen Soldatenrock mit rothen Schnürchen weiße Beinkleider, keine Weste über dem burschikosen Hemde, hingegen das rothe Seidentuch der Großmutter malerisch umgeschlun¬ gen, und überdies hing die goldene Uhr meines Vaters, die ich ererbt, aber nie recht in Ordnung zu halten verstand, an einem tüchtigen blauen Bande mit gestickten Blumen, das ich den Schachteln meiner Mutter entnommen hatte. Von der Mütze hatte ich längst den philisteriösen Schirm abgetrennt, daß sie die Stirn frei ließ, und ich
verſehen hatte. Die abgefallenen Stuͤcke dieſer Zierrath gingen unter der Dorfjugend als gang¬ bare Muͤnze und wogen beim Spiele ſechs Horn¬ oder Bleiknoͤpfe auf. Daher mochte es kommen, daß die Jacken des juͤngſten Sohnes, welcher noch in lebhaftem Verkehre mit den Knopfkapi¬ taliſten ſtand, aͤußerlich immer dieſer Zierde be¬ raubt waren und ſie dagegen im Innern ihrer Taſchen verbargen, daß ſogar den Kleidungs¬ ſtuͤcken der aͤlteren Bruͤder mehr Knoͤpfe abgin¬ gen, als nach der Haltbarkeit des derben Zwir¬ nes jenes Jackendichters zu berechnen war. Ich ſelber trug zu meinem gruͤnen Soldatenrock mit rothen Schnuͤrchen weiße Beinkleider, keine Weſte uͤber dem burſchikoſen Hemde, hingegen das rothe Seidentuch der Großmutter maleriſch umgeſchlun¬ gen, und uͤberdies hing die goldene Uhr meines Vaters, die ich ererbt, aber nie recht in Ordnung zu halten verſtand, an einem tuͤchtigen blauen Bande mit geſtickten Blumen, das ich den Schachteln meiner Mutter entnommen hatte. Von der Muͤtze hatte ich laͤngſt den philiſterioͤſen Schirm abgetrennt, daß ſie die Stirn frei ließ, und ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0066"n="56"/>
verſehen hatte. Die abgefallenen Stuͤcke dieſer<lb/>
Zierrath gingen unter der Dorfjugend als gang¬<lb/>
bare Muͤnze und wogen beim Spiele ſechs Horn¬<lb/>
oder Bleiknoͤpfe auf. Daher mochte es kommen,<lb/>
daß die Jacken des juͤngſten Sohnes, welcher<lb/>
noch in lebhaftem Verkehre mit den Knopfkapi¬<lb/>
taliſten ſtand, aͤußerlich immer dieſer Zierde be¬<lb/>
raubt waren und ſie dagegen im Innern ihrer<lb/>
Taſchen verbargen, daß ſogar den Kleidungs¬<lb/>ſtuͤcken der aͤlteren Bruͤder mehr Knoͤpfe abgin¬<lb/>
gen, als nach der Haltbarkeit des derben Zwir¬<lb/>
nes jenes Jackendichters zu berechnen war. Ich<lb/>ſelber trug zu meinem gruͤnen Soldatenrock mit<lb/>
rothen Schnuͤrchen weiße Beinkleider, keine Weſte<lb/>
uͤber dem burſchikoſen Hemde, hingegen das rothe<lb/>
Seidentuch der Großmutter maleriſch umgeſchlun¬<lb/>
gen, und uͤberdies hing die goldene Uhr meines<lb/>
Vaters, die ich ererbt, aber nie recht in Ordnung<lb/>
zu halten verſtand, an einem tuͤchtigen blauen<lb/>
Bande mit geſtickten Blumen, das ich den<lb/>
Schachteln meiner Mutter entnommen hatte. Von<lb/>
der Muͤtze hatte ich laͤngſt den philiſterioͤſen Schirm<lb/>
abgetrennt, daß ſie die Stirn frei ließ, und ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[56/0066]
verſehen hatte. Die abgefallenen Stuͤcke dieſer
Zierrath gingen unter der Dorfjugend als gang¬
bare Muͤnze und wogen beim Spiele ſechs Horn¬
oder Bleiknoͤpfe auf. Daher mochte es kommen,
daß die Jacken des juͤngſten Sohnes, welcher
noch in lebhaftem Verkehre mit den Knopfkapi¬
taliſten ſtand, aͤußerlich immer dieſer Zierde be¬
raubt waren und ſie dagegen im Innern ihrer
Taſchen verbargen, daß ſogar den Kleidungs¬
ſtuͤcken der aͤlteren Bruͤder mehr Knoͤpfe abgin¬
gen, als nach der Haltbarkeit des derben Zwir¬
nes jenes Jackendichters zu berechnen war. Ich
ſelber trug zu meinem gruͤnen Soldatenrock mit
rothen Schnuͤrchen weiße Beinkleider, keine Weſte
uͤber dem burſchikoſen Hemde, hingegen das rothe
Seidentuch der Großmutter maleriſch umgeſchlun¬
gen, und uͤberdies hing die goldene Uhr meines
Vaters, die ich ererbt, aber nie recht in Ordnung
zu halten verſtand, an einem tuͤchtigen blauen
Bande mit geſtickten Blumen, das ich den
Schachteln meiner Mutter entnommen hatte. Von
der Muͤtze hatte ich laͤngſt den philiſterioͤſen Schirm
abgetrennt, daß ſie die Stirn frei ließ, und ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/66>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.