nur etwas Entschiedenes zu thun, entschloß ich mich, sogleich nach der Stadt zurückzukehren. Zwar hatte ich leider nicht viel zu versäumen und meine ungeleitete haltlose Arbeit bot mir in diesem Augenblicke gar keine lockende Zuflucht, ja sie kam mir schaal und nichtig vor; da aber der Nachmittag schon vorgerückt war und ich durch Koth und Regen in die Nacht hinein wandern mußte, so ließ eine ascetische Laune mir diesen Gang als eine Wohlthat erscheinen, und ich machte mich trotz aller Einreden meiner Verwandten ungesäumt auf den Weg.
So stürmisch und mühevoll dieser war, legte ich doch die bedeutende Strecke zurück wie einen sonnigen Gartenpfad; denn in meinem Innern erwachten alle Gedanken und spielten fort und fort mit dem Räthsel des Lebens, wie mit einer goldenen Kugel, und ich war nicht wenig über¬ rascht, mich unversehens vor dem Stadtthore zu befinden. Als ich vor unser Haus kam, merkte ich an den dunkeln Fenstern, daß meine Mutter schon schlief; mit einem heimkehrenden Hausge¬ nossen schlüpfte ich in's Haus und auf meine
1 *
nur etwas Entſchiedenes zu thun, entſchloß ich mich, ſogleich nach der Stadt zuruͤckzukehren. Zwar hatte ich leider nicht viel zu verſaͤumen und meine ungeleitete haltloſe Arbeit bot mir in dieſem Augenblicke gar keine lockende Zuflucht, ja ſie kam mir ſchaal und nichtig vor; da aber der Nachmittag ſchon vorgeruͤckt war und ich durch Koth und Regen in die Nacht hinein wandern mußte, ſo ließ eine ascetiſche Laune mir dieſen Gang als eine Wohlthat erſcheinen, und ich machte mich trotz aller Einreden meiner Verwandten ungeſaͤumt auf den Weg.
So ſtuͤrmiſch und muͤhevoll dieſer war, legte ich doch die bedeutende Strecke zuruͤck wie einen ſonnigen Gartenpfad; denn in meinem Innern erwachten alle Gedanken und ſpielten fort und fort mit dem Raͤthſel des Lebens, wie mit einer goldenen Kugel, und ich war nicht wenig uͤber¬ raſcht, mich unverſehens vor dem Stadtthore zu befinden. Als ich vor unſer Haus kam, merkte ich an den dunkeln Fenſtern, daß meine Mutter ſchon ſchlief; mit einem heimkehrenden Hausge¬ noſſen ſchluͤpfte ich in's Haus und auf meine
1 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0013"n="3"/>
nur etwas Entſchiedenes zu thun, entſchloß ich<lb/>
mich, ſogleich nach der Stadt zuruͤckzukehren.<lb/>
Zwar hatte ich leider nicht viel zu verſaͤumen und<lb/>
meine ungeleitete haltloſe Arbeit bot mir in dieſem<lb/>
Augenblicke gar keine lockende Zuflucht, ja ſie<lb/>
kam mir ſchaal und nichtig vor; da aber der<lb/>
Nachmittag ſchon vorgeruͤckt war und ich durch<lb/>
Koth und Regen in die Nacht hinein wandern<lb/>
mußte, ſo ließ eine ascetiſche Laune mir dieſen<lb/>
Gang als eine Wohlthat erſcheinen, und ich machte<lb/>
mich trotz aller Einreden meiner Verwandten<lb/>
ungeſaͤumt auf den Weg.</p><lb/><p>So ſtuͤrmiſch und muͤhevoll dieſer war, legte<lb/>
ich doch die bedeutende Strecke zuruͤck wie einen<lb/>ſonnigen Gartenpfad; denn in meinem Innern<lb/>
erwachten alle Gedanken und ſpielten fort und<lb/>
fort mit dem Raͤthſel des Lebens, wie mit einer<lb/>
goldenen Kugel, und ich war nicht wenig uͤber¬<lb/>
raſcht, mich unverſehens vor dem Stadtthore zu<lb/>
befinden. Als ich vor unſer Haus kam, merkte<lb/>
ich an den dunkeln Fenſtern, daß meine Mutter<lb/>ſchon ſchlief; mit einem heimkehrenden Hausge¬<lb/>
noſſen ſchluͤpfte ich in's Haus und auf meine<lb/><fwplace="bottom"type="sig">1 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[3/0013]
nur etwas Entſchiedenes zu thun, entſchloß ich
mich, ſogleich nach der Stadt zuruͤckzukehren.
Zwar hatte ich leider nicht viel zu verſaͤumen und
meine ungeleitete haltloſe Arbeit bot mir in dieſem
Augenblicke gar keine lockende Zuflucht, ja ſie
kam mir ſchaal und nichtig vor; da aber der
Nachmittag ſchon vorgeruͤckt war und ich durch
Koth und Regen in die Nacht hinein wandern
mußte, ſo ließ eine ascetiſche Laune mir dieſen
Gang als eine Wohlthat erſcheinen, und ich machte
mich trotz aller Einreden meiner Verwandten
ungeſaͤumt auf den Weg.
So ſtuͤrmiſch und muͤhevoll dieſer war, legte
ich doch die bedeutende Strecke zuruͤck wie einen
ſonnigen Gartenpfad; denn in meinem Innern
erwachten alle Gedanken und ſpielten fort und
fort mit dem Raͤthſel des Lebens, wie mit einer
goldenen Kugel, und ich war nicht wenig uͤber¬
raſcht, mich unverſehens vor dem Stadtthore zu
befinden. Als ich vor unſer Haus kam, merkte
ich an den dunkeln Fenſtern, daß meine Mutter
ſchon ſchlief; mit einem heimkehrenden Hausge¬
noſſen ſchluͤpfte ich in's Haus und auf meine
1 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/13>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.