Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

gesetzten Tage in der Kaserne einfinden, um die
kleinen Geheimnisse der Vaterlandsvertheidigung
zu lernen. Ich stieß auf ein summendes Gewim¬
mel von vielen hundert jungen Leuten aus allen
Ständen, welche jedoch bald von einer Handvoll
grimmiger Kriegsleute zur Stille gebracht, abge¬
theilt und während vieler Stunden als ungefüger
Rohstoff hin und her geschoben wurden, bis sie
das Brauchbare zusammengestellt hatten. Als so¬
dann die Uebungen begannen und die Abtheilun¬
gen zum ersten Mal unter den einzelnen seltsamen
Vorgesetzten, welches vielumhergerathene Sol¬
datennaturen waren, zusammen kamen, wurde mir,
der ich nichts bedacht hatte, unter Gelächter mein
langes Haar dicht am Kopfe weggeschnitten.
Aber ich legte es mit dem größten Vergnügen
auf den Altar des Vaterlandes und fühlte behag¬
lich die frische Luft um meinen geschorenen Kopf
wehen. Jetzt mußten wir aber auch die Hände
darstrecken, ob sie gewaschen und die Nägel ordent¬
lich beschnitten seien und nun war die Reihe an
manchem biederen Handarbeiter, sich geräuschvoll
belehren zu lassen. Dann gab man uns ein klei¬

geſetzten Tage in der Kaſerne einfinden, um die
kleinen Geheimniſſe der Vaterlandsvertheidigung
zu lernen. Ich ſtieß auf ein ſummendes Gewim¬
mel von vielen hundert jungen Leuten aus allen
Staͤnden, welche jedoch bald von einer Handvoll
grimmiger Kriegsleute zur Stille gebracht, abge¬
theilt und waͤhrend vieler Stunden als ungefuͤger
Rohſtoff hin und her geſchoben wurden, bis ſie
das Brauchbare zuſammengeſtellt hatten. Als ſo¬
dann die Uebungen begannen und die Abtheilun¬
gen zum erſten Mal unter den einzelnen ſeltſamen
Vorgeſetzten, welches vielumhergerathene Sol¬
datennaturen waren, zuſammen kamen, wurde mir,
der ich nichts bedacht hatte, unter Gelaͤchter mein
langes Haar dicht am Kopfe weggeſchnitten.
Aber ich legte es mit dem groͤßten Vergnuͤgen
auf den Altar des Vaterlandes und fuͤhlte behag¬
lich die friſche Luft um meinen geſchorenen Kopf
wehen. Jetzt mußten wir aber auch die Haͤnde
darſtrecken, ob ſie gewaſchen und die Naͤgel ordent¬
lich beſchnitten ſeien und nun war die Reihe an
manchem biederen Handarbeiter, ſich geraͤuſchvoll
belehren zu laſſen. Dann gab man uns ein klei¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0177" n="167"/>
ge&#x017F;etzten Tage in der Ka&#x017F;erne einfinden, um die<lb/>
kleinen Geheimni&#x017F;&#x017F;e der Vaterlandsvertheidigung<lb/>
zu lernen. Ich &#x017F;tieß auf ein &#x017F;ummendes Gewim¬<lb/>
mel von vielen hundert jungen Leuten aus allen<lb/>
Sta&#x0364;nden, welche jedoch bald von einer Handvoll<lb/>
grimmiger Kriegsleute zur Stille gebracht, abge¬<lb/>
theilt und wa&#x0364;hrend vieler Stunden als ungefu&#x0364;ger<lb/>
Roh&#x017F;toff hin und her ge&#x017F;choben wurden, bis &#x017F;ie<lb/>
das Brauchbare zu&#x017F;ammenge&#x017F;tellt hatten. Als &#x017F;<lb/>
dann die Uebungen begannen und die Abtheilun¬<lb/>
gen zum er&#x017F;ten Mal unter den einzelnen &#x017F;elt&#x017F;amen<lb/>
Vorge&#x017F;etzten, welches vielumhergerathene Sol¬<lb/>
datennaturen waren, zu&#x017F;ammen kamen, wurde mir,<lb/>
der ich nichts bedacht hatte, unter Gela&#x0364;chter mein<lb/>
langes Haar dicht am Kopfe wegge&#x017F;chnitten.<lb/>
Aber ich legte es mit dem gro&#x0364;ßten Vergnu&#x0364;gen<lb/>
auf den Altar des Vaterlandes und fu&#x0364;hlte behag¬<lb/>
lich die fri&#x017F;che Luft um meinen ge&#x017F;chorenen Kopf<lb/>
wehen. Jetzt mußten wir aber auch die Ha&#x0364;nde<lb/>
dar&#x017F;trecken, ob &#x017F;ie gewa&#x017F;chen und die Na&#x0364;gel ordent¬<lb/>
lich be&#x017F;chnitten &#x017F;eien und nun war die Reihe an<lb/>
manchem biederen Handarbeiter, &#x017F;ich gera&#x0364;u&#x017F;chvoll<lb/>
belehren zu la&#x017F;&#x017F;en. Dann gab man uns ein klei¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0177] geſetzten Tage in der Kaſerne einfinden, um die kleinen Geheimniſſe der Vaterlandsvertheidigung zu lernen. Ich ſtieß auf ein ſummendes Gewim¬ mel von vielen hundert jungen Leuten aus allen Staͤnden, welche jedoch bald von einer Handvoll grimmiger Kriegsleute zur Stille gebracht, abge¬ theilt und waͤhrend vieler Stunden als ungefuͤger Rohſtoff hin und her geſchoben wurden, bis ſie das Brauchbare zuſammengeſtellt hatten. Als ſo¬ dann die Uebungen begannen und die Abtheilun¬ gen zum erſten Mal unter den einzelnen ſeltſamen Vorgeſetzten, welches vielumhergerathene Sol¬ datennaturen waren, zuſammen kamen, wurde mir, der ich nichts bedacht hatte, unter Gelaͤchter mein langes Haar dicht am Kopfe weggeſchnitten. Aber ich legte es mit dem groͤßten Vergnuͤgen auf den Altar des Vaterlandes und fuͤhlte behag¬ lich die friſche Luft um meinen geſchorenen Kopf wehen. Jetzt mußten wir aber auch die Haͤnde darſtrecken, ob ſie gewaſchen und die Naͤgel ordent¬ lich beſchnitten ſeien und nun war die Reihe an manchem biederen Handarbeiter, ſich geraͤuſchvoll belehren zu laſſen. Dann gab man uns ein klei¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/177
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/177>, abgerufen am 21.11.2024.