Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

nes Büchelchen, das erste einer ganzen Reihe, in
welchem Pflichten und Haltung des angehenden
Soldaten in wunderlichen Sätzen als Fragen und
Antworten deutlich gedruckt und numerirt waren.
Jeder Regel war aber eine tüchtige kurze Be¬
gründung beigefügt und wenn auch manchmal
diese in den Satz der Regel, die Regel aber
hintennach in die Begründung hineingerathen war,
so lernten wir doch Alle jedes Wort eifrig und
andächtig auswendig und setzten eine Ehre darein,
das Pensum ohne Stottern herzusagen. Endlich
verging der Rest des ersten Tages über den Be¬
mühungen, von Neuem gerade stehen und einige
Schritte gehen zu lernen, was unter dem Wechsel
von Muth und Niedergeschlagenheit sich vollendete.

Es galt nun, sich einer eisernen Ordnung zu
fügen und sich jeder Pünktlichkeit zu befleißen, und
obgleich dies mich aus meiner vollkommenen Frei¬
heit und Selbstherrlichkeit herausriß, so empfand
ich doch einen wahren Durst, mich dieser Strenge
hinzugeben, so komisch auch ihre nächsten kleinen
Zwecke waren, und als ich einige Mal nahe an
der Strafe hinstreifte, und zwar nur aus Ver¬

nes Buͤchelchen, das erſte einer ganzen Reihe, in
welchem Pflichten und Haltung des angehenden
Soldaten in wunderlichen Saͤtzen als Fragen und
Antworten deutlich gedruckt und numerirt waren.
Jeder Regel war aber eine tuͤchtige kurze Be¬
gruͤndung beigefuͤgt und wenn auch manchmal
dieſe in den Satz der Regel, die Regel aber
hintennach in die Begruͤndung hineingerathen war,
ſo lernten wir doch Alle jedes Wort eifrig und
andaͤchtig auswendig und ſetzten eine Ehre darein,
das Penſum ohne Stottern herzuſagen. Endlich
verging der Reſt des erſten Tages uͤber den Be¬
muͤhungen, von Neuem gerade ſtehen und einige
Schritte gehen zu lernen, was unter dem Wechſel
von Muth und Niedergeſchlagenheit ſich vollendete.

Es galt nun, ſich einer eiſernen Ordnung zu
fuͤgen und ſich jeder Puͤnktlichkeit zu befleißen, und
obgleich dies mich aus meiner vollkommenen Frei¬
heit und Selbſtherrlichkeit herausriß, ſo empfand
ich doch einen wahren Durſt, mich dieſer Strenge
hinzugeben, ſo komiſch auch ihre naͤchſten kleinen
Zwecke waren, und als ich einige Mal nahe an
der Strafe hinſtreifte, und zwar nur aus Ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0178" n="168"/>
nes Bu&#x0364;chelchen, das er&#x017F;te einer ganzen Reihe, in<lb/>
welchem Pflichten und Haltung des angehenden<lb/>
Soldaten in wunderlichen Sa&#x0364;tzen als Fragen und<lb/>
Antworten deutlich gedruckt und numerirt waren.<lb/>
Jeder Regel war aber eine tu&#x0364;chtige kurze Be¬<lb/>
gru&#x0364;ndung beigefu&#x0364;gt und wenn auch manchmal<lb/>
die&#x017F;e in den Satz der Regel, die Regel aber<lb/>
hintennach in die Begru&#x0364;ndung hineingerathen war,<lb/>
&#x017F;o lernten wir doch Alle jedes Wort eifrig und<lb/>
anda&#x0364;chtig auswendig und &#x017F;etzten eine Ehre darein,<lb/>
das Pen&#x017F;um ohne Stottern herzu&#x017F;agen. Endlich<lb/>
verging der Re&#x017F;t des er&#x017F;ten Tages u&#x0364;ber den Be¬<lb/>
mu&#x0364;hungen, von Neuem gerade &#x017F;tehen und einige<lb/>
Schritte gehen zu lernen, was unter dem Wech&#x017F;el<lb/>
von Muth und Niederge&#x017F;chlagenheit &#x017F;ich vollendete.<lb/></p>
        <p>Es galt nun, &#x017F;ich einer ei&#x017F;ernen Ordnung zu<lb/>
fu&#x0364;gen und &#x017F;ich jeder Pu&#x0364;nktlichkeit zu befleißen, und<lb/>
obgleich dies mich aus meiner vollkommenen Frei¬<lb/>
heit und Selb&#x017F;therrlichkeit herausriß, &#x017F;o empfand<lb/>
ich doch einen wahren Dur&#x017F;t, mich die&#x017F;er Strenge<lb/>
hinzugeben, &#x017F;o komi&#x017F;ch auch ihre na&#x0364;ch&#x017F;ten kleinen<lb/>
Zwecke waren, und als ich einige Mal nahe an<lb/>
der Strafe hin&#x017F;treifte, und zwar nur aus Ver¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0178] nes Buͤchelchen, das erſte einer ganzen Reihe, in welchem Pflichten und Haltung des angehenden Soldaten in wunderlichen Saͤtzen als Fragen und Antworten deutlich gedruckt und numerirt waren. Jeder Regel war aber eine tuͤchtige kurze Be¬ gruͤndung beigefuͤgt und wenn auch manchmal dieſe in den Satz der Regel, die Regel aber hintennach in die Begruͤndung hineingerathen war, ſo lernten wir doch Alle jedes Wort eifrig und andaͤchtig auswendig und ſetzten eine Ehre darein, das Penſum ohne Stottern herzuſagen. Endlich verging der Reſt des erſten Tages uͤber den Be¬ muͤhungen, von Neuem gerade ſtehen und einige Schritte gehen zu lernen, was unter dem Wechſel von Muth und Niedergeſchlagenheit ſich vollendete. Es galt nun, ſich einer eiſernen Ordnung zu fuͤgen und ſich jeder Puͤnktlichkeit zu befleißen, und obgleich dies mich aus meiner vollkommenen Frei¬ heit und Selbſtherrlichkeit herausriß, ſo empfand ich doch einen wahren Durſt, mich dieſer Strenge hinzugeben, ſo komiſch auch ihre naͤchſten kleinen Zwecke waren, und als ich einige Mal nahe an der Strafe hinſtreifte, und zwar nur aus Ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/178
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/178>, abgerufen am 18.12.2024.