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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Die unvermeidliche Alte führte ihn in ihr
kleines Wärtergemach und ließ ihn da stehen, um
das Kunstwerkchen herbeizuholen. Dieses war
aber nirgends zu finden; immer mehr Bedienstete,
Köchin, Kammermädchen und Hausknecht rann¬
ten umher und suchten in Küche, Keller und
Kammern. Endlich rief das Geräusch die schöne
Wittwe selbst herbei, und als sie, die, nach dem
kleinen wunderlichen Bildchen urtheilend, gewähnt
hatte, einen ebenso kleinen und dürftigen Urheber
zu finden, als sie nun den gewaltigen Erikson
dastehen sah, der mit der Stirn beinahe die Decke
des niedern Verschlages berührte, indessen sein
nordisches Goldhaar glänzend auf die breiten
Schultern fiel, da gerieth sie in die größte Ver¬
legenheit, zumal er, aus einem ruhigen Lächeln
erwachend, sie jetzt mit festem und wohlgefälligem
Blick betrachtete. Sie war aber auch des läng¬
sten Anschauens werth; kaum sechs und zwanzig
Sommer alt, stand Rosalie liebreizend da, von
der Rosenfarbe der Gesundheit und Lebensfrische
überhaucht, von freundlichen Gesichtszügen, mit
braunem Seidenhaar und noch brauneren lachen¬

Die unvermeidliche Alte fuͤhrte ihn in ihr
kleines Waͤrtergemach und ließ ihn da ſtehen, um
das Kunſtwerkchen herbeizuholen. Dieſes war
aber nirgends zu finden; immer mehr Bedienſtete,
Koͤchin, Kammermaͤdchen und Hausknecht rann¬
ten umher und ſuchten in Kuͤche, Keller und
Kammern. Endlich rief das Geraͤuſch die ſchoͤne
Wittwe ſelbſt herbei, und als ſie, die, nach dem
kleinen wunderlichen Bildchen urtheilend, gewaͤhnt
hatte, einen ebenſo kleinen und duͤrftigen Urheber
zu finden, als ſie nun den gewaltigen Erikſon
daſtehen ſah, der mit der Stirn beinahe die Decke
des niedern Verſchlages beruͤhrte, indeſſen ſein
nordiſches Goldhaar glaͤnzend auf die breiten
Schultern fiel, da gerieth ſie in die groͤßte Ver¬
legenheit, zumal er, aus einem ruhigen Laͤcheln
erwachend, ſie jetzt mit feſtem und wohlgefaͤlligem
Blick betrachtete. Sie war aber auch des laͤng¬
ſten Anſchauens werth; kaum ſechs und zwanzig
Sommer alt, ſtand Roſalie liebreizend da, von
der Roſenfarbe der Geſundheit und Lebensfriſche
uͤberhaucht, von freundlichen Geſichtszuͤgen, mit
braunem Seidenhaar und noch brauneren lachen¬

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[229/0239] Die unvermeidliche Alte fuͤhrte ihn in ihr kleines Waͤrtergemach und ließ ihn da ſtehen, um das Kunſtwerkchen herbeizuholen. Dieſes war aber nirgends zu finden; immer mehr Bedienſtete, Koͤchin, Kammermaͤdchen und Hausknecht rann¬ ten umher und ſuchten in Kuͤche, Keller und Kammern. Endlich rief das Geraͤuſch die ſchoͤne Wittwe ſelbſt herbei, und als ſie, die, nach dem kleinen wunderlichen Bildchen urtheilend, gewaͤhnt hatte, einen ebenſo kleinen und duͤrftigen Urheber zu finden, als ſie nun den gewaltigen Erikſon daſtehen ſah, der mit der Stirn beinahe die Decke des niedern Verſchlages beruͤhrte, indeſſen ſein nordiſches Goldhaar glaͤnzend auf die breiten Schultern fiel, da gerieth ſie in die groͤßte Ver¬ legenheit, zumal er, aus einem ruhigen Laͤcheln erwachend, ſie jetzt mit feſtem und wohlgefaͤlligem Blick betrachtete. Sie war aber auch des laͤng¬ ſten Anſchauens werth; kaum ſechs und zwanzig Sommer alt, ſtand Roſalie liebreizend da, von der Roſenfarbe der Geſundheit und Lebensfriſche uͤberhaucht, von freundlichen Geſichtszuͤgen, mit braunem Seidenhaar und noch brauneren lachen¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/239>, abgerufen am 26.11.2024.