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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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hinkenden Narren auf dem Fuße folgte wieder
der glänzende Anfang; wieder gingen die Zünfte,
das alte Nürnberg, Kaiser und Reich und die
Fabelwelt vorüber, und so zum dritten Male, bis
aller Augen sich an dem Gestaltenwechsel gesättigt
hatten.

Dann schaarte sich die ganze Masse in ge¬
drängte Ordnung; die sangkundige Menge der
Künstler ließ die Festlieder ertönen und brachte
dem vergnügten wirklichen Könige, in dessen
Machtkreis zuletzt diese ganze Traumwelt hing,
ein opferndes Lebehoch. Durch den Logensaal
der königlichen Familie, wo diese versammelt war,
bewegte sich nun der ganze Zug und auf bedeckten
Gängen in die Residenz hinüber, durch deren Säle
und Korridore, welche alle von begünstigten Zu¬
schauern angefüllt waren.

Als Heinrich in die Nähe des zufriedenen
Königs kam, gedachte er jenes wunderlichen Auf¬
trittes, wo dieser ihm die Mütze heruntergeschlagen
hatte. Er hatte ihn nie wieder so nahe gesehen
bis jetzt, und ihm längst verziehen; denn wenn
die Könige nicht beleidigt werden dürfen, so kön¬

hinkenden Narren auf dem Fuße folgte wieder
der glaͤnzende Anfang; wieder gingen die Zuͤnfte,
das alte Nuͤrnberg, Kaiſer und Reich und die
Fabelwelt voruͤber, und ſo zum dritten Male, bis
aller Augen ſich an dem Geſtaltenwechſel geſaͤttigt
hatten.

Dann ſchaarte ſich die ganze Maſſe in ge¬
draͤngte Ordnung; die ſangkundige Menge der
Kuͤnſtler ließ die Feſtlieder ertoͤnen und brachte
dem vergnuͤgten wirklichen Koͤnige, in deſſen
Machtkreis zuletzt dieſe ganze Traumwelt hing,
ein opferndes Lebehoch. Durch den Logenſaal
der koͤniglichen Familie, wo dieſe verſammelt war,
bewegte ſich nun der ganze Zug und auf bedeckten
Gaͤngen in die Reſidenz hinuͤber, durch deren Saͤle
und Korridore, welche alle von beguͤnſtigten Zu¬
ſchauern angefuͤllt waren.

Als Heinrich in die Naͤhe des zufriedenen
Koͤnigs kam, gedachte er jenes wunderlichen Auf¬
trittes, wo dieſer ihm die Muͤtze heruntergeſchlagen
hatte. Er hatte ihn nie wieder ſo nahe geſehen
bis jetzt, und ihm laͤngſt verziehen; denn wenn
die Koͤnige nicht beleidigt werden duͤrfen, ſo koͤn¬

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[280/0290] hinkenden Narren auf dem Fuße folgte wieder der glaͤnzende Anfang; wieder gingen die Zuͤnfte, das alte Nuͤrnberg, Kaiſer und Reich und die Fabelwelt voruͤber, und ſo zum dritten Male, bis aller Augen ſich an dem Geſtaltenwechſel geſaͤttigt hatten. Dann ſchaarte ſich die ganze Maſſe in ge¬ draͤngte Ordnung; die ſangkundige Menge der Kuͤnſtler ließ die Feſtlieder ertoͤnen und brachte dem vergnuͤgten wirklichen Koͤnige, in deſſen Machtkreis zuletzt dieſe ganze Traumwelt hing, ein opferndes Lebehoch. Durch den Logenſaal der koͤniglichen Familie, wo dieſe verſammelt war, bewegte ſich nun der ganze Zug und auf bedeckten Gaͤngen in die Reſidenz hinuͤber, durch deren Saͤle und Korridore, welche alle von beguͤnſtigten Zu¬ ſchauern angefuͤllt waren. Als Heinrich in die Naͤhe des zufriedenen Koͤnigs kam, gedachte er jenes wunderlichen Auf¬ trittes, wo dieſer ihm die Muͤtze heruntergeſchlagen hatte. Er hatte ihn nie wieder ſo nahe geſehen bis jetzt, und ihm laͤngſt verziehen; denn wenn die Koͤnige nicht beleidigt werden duͤrfen, ſo koͤn¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/290>, abgerufen am 21.11.2024.