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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Sie lachte, scherzte und strahlte von freundlichem
Liebreiz, indem sie gegen Alle sich hold und froh
zeigte, gegen Ferdinand aber ihre Unwissenheit
beklagte und bedauerte, welche sie so lange von
den wahrhaft frohen und klugen Kreisen der
Künstler fern gehalten habe und sie selbst jetzt
nur ihre Freude, nicht aber den Ernst ihrer Ar¬
beit verstehen lasse. Sie drückte sich aber mit
so artigen und klugen Worten aus, daß Ferdi¬
nand von ihrem naiven, anmuthigen Geiste ent¬
zückt wurde und immer weniger seine Blicke von
ihr wandte oder von ihrer Seite wich. Es wehte
ein süßer Hauch der Frauenhaftigkeit ihn an,
wenn sie lächelte und sprach, und der Stern in
ihren Locken glänzte wirklich wie der Stern der
Venus.

Er fühlte eine Fesselung aller Sinne, welche
ihn alles Andere vergessen und alles Trachten auf
das reizende Weib richten ließ, von dem sie aus¬
ging, als ob sonst kein Heil in Zeit und Ewig¬
keit zu finden wäre. Bei den meisten Männern
ist dies ein vorübergehendes inneres Begehren,
eine rasche, allmälig verwehende Aufwallung des

III. 19

Sie lachte, ſcherzte und ſtrahlte von freundlichem
Liebreiz, indem ſie gegen Alle ſich hold und froh
zeigte, gegen Ferdinand aber ihre Unwiſſenheit
beklagte und bedauerte, welche ſie ſo lange von
den wahrhaft frohen und klugen Kreiſen der
Kuͤnſtler fern gehalten habe und ſie ſelbſt jetzt
nur ihre Freude, nicht aber den Ernſt ihrer Ar¬
beit verſtehen laſſe. Sie druͤckte ſich aber mit
ſo artigen und klugen Worten aus, daß Ferdi¬
nand von ihrem naiven, anmuthigen Geiſte ent¬
zuͤckt wurde und immer weniger ſeine Blicke von
ihr wandte oder von ihrer Seite wich. Es wehte
ein ſuͤßer Hauch der Frauenhaftigkeit ihn an,
wenn ſie laͤchelte und ſprach, und der Stern in
ihren Locken glaͤnzte wirklich wie der Stern der
Venus.

Er fuͤhlte eine Feſſelung aller Sinne, welche
ihn alles Andere vergeſſen und alles Trachten auf
das reizende Weib richten ließ, von dem ſie aus¬
ging, als ob ſonſt kein Heil in Zeit und Ewig¬
keit zu finden waͤre. Bei den meiſten Maͤnnern
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[289/0299] Sie lachte, ſcherzte und ſtrahlte von freundlichem Liebreiz, indem ſie gegen Alle ſich hold und froh zeigte, gegen Ferdinand aber ihre Unwiſſenheit beklagte und bedauerte, welche ſie ſo lange von den wahrhaft frohen und klugen Kreiſen der Kuͤnſtler fern gehalten habe und ſie ſelbſt jetzt nur ihre Freude, nicht aber den Ernſt ihrer Ar¬ beit verſtehen laſſe. Sie druͤckte ſich aber mit ſo artigen und klugen Worten aus, daß Ferdi¬ nand von ihrem naiven, anmuthigen Geiſte ent¬ zuͤckt wurde und immer weniger ſeine Blicke von ihr wandte oder von ihrer Seite wich. Es wehte ein ſuͤßer Hauch der Frauenhaftigkeit ihn an, wenn ſie laͤchelte und ſprach, und der Stern in ihren Locken glaͤnzte wirklich wie der Stern der Venus. Er fuͤhlte eine Feſſelung aller Sinne, welche ihn alles Andere vergeſſen und alles Trachten auf das reizende Weib richten ließ, von dem ſie aus¬ ging, als ob ſonſt kein Heil in Zeit und Ewig¬ keit zu finden waͤre. Bei den meiſten Maͤnnern iſt dies ein voruͤbergehendes inneres Begehren, eine raſche, allmaͤlig verwehende Aufwallung des III. 19

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/299>, abgerufen am 21.11.2024.