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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Blick zu Ferdinand und Rosalien hinüber, zuwei¬
len sah sie verwundert und wehmüthig hin, aber
immer sah sie dasselbe Schauspiel.

Heinrich, welcher aus Ferdinand's Betragen
nicht klug wurde, indem ihm eine solche Unmit¬
telbarkeit des Wechsels und unter solchen Umstän¬
den doch nicht glaubhaft schien, versank in tiefes
Sinnen. Die vergangene Zeit kam über ihn, und
indem er an die bemalte Decke des Saales empor
sah, erinnerte er sich jener Fastnacht, wo er unter
dem freien Himmel der Heimath, auf luftigen
Bergen unter Vermummten sich umgetrieben oder
neben der todten Anna durch den Wald geritten.
Er verfiel mehr und mehr auf das Andenken
dieses guten Mädchens, und eine große Verliebt¬
heit erfüllte ihn, wie er sie lange nicht empfunden.

Ein tiefer Seufzer weckte ihn auf, welchen
die silberne Agnes neben ihm that, und sogleich
schlossen sich seine Empfindungen, die aus dem
Schattenreiche gleich Abendnebeln aufgestiegen, an
diesen lebendigen Kern; er sah ihre seltsame
Schönheit und trank verwirrt aus seinem Wein¬
glase, als Agnes ihn plötzlich aufforderte, mit ihr

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Blick zu Ferdinand und Roſalien hinuͤber, zuwei¬
len ſah ſie verwundert und wehmuͤthig hin, aber
immer ſah ſie daſſelbe Schauſpiel.

Heinrich, welcher aus Ferdinand's Betragen
nicht klug wurde, indem ihm eine ſolche Unmit¬
telbarkeit des Wechſels und unter ſolchen Umſtaͤn¬
den doch nicht glaubhaft ſchien, verſank in tiefes
Sinnen. Die vergangene Zeit kam uͤber ihn, und
indem er an die bemalte Decke des Saales empor
ſah, erinnerte er ſich jener Faſtnacht, wo er unter
dem freien Himmel der Heimath, auf luftigen
Bergen unter Vermummten ſich umgetrieben oder
neben der todten Anna durch den Wald geritten.
Er verfiel mehr und mehr auf das Andenken
dieſes guten Maͤdchens, und eine große Verliebt¬
heit erfuͤllte ihn, wie er ſie lange nicht empfunden.

Ein tiefer Seufzer weckte ihn auf, welchen
die ſilberne Agnes neben ihm that, und ſogleich
ſchloſſen ſich ſeine Empfindungen, die aus dem
Schattenreiche gleich Abendnebeln aufgeſtiegen, an
dieſen lebendigen Kern; er ſah ihre ſeltſame
Schoͤnheit und trank verwirrt aus ſeinem Wein¬
glaſe, als Agnes ihn ploͤtzlich aufforderte, mit ihr

19 *
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[291/0301] Blick zu Ferdinand und Roſalien hinuͤber, zuwei¬ len ſah ſie verwundert und wehmuͤthig hin, aber immer ſah ſie daſſelbe Schauſpiel. Heinrich, welcher aus Ferdinand's Betragen nicht klug wurde, indem ihm eine ſolche Unmit¬ telbarkeit des Wechſels und unter ſolchen Umſtaͤn¬ den doch nicht glaubhaft ſchien, verſank in tiefes Sinnen. Die vergangene Zeit kam uͤber ihn, und indem er an die bemalte Decke des Saales empor ſah, erinnerte er ſich jener Faſtnacht, wo er unter dem freien Himmel der Heimath, auf luftigen Bergen unter Vermummten ſich umgetrieben oder neben der todten Anna durch den Wald geritten. Er verfiel mehr und mehr auf das Andenken dieſes guten Maͤdchens, und eine große Verliebt¬ heit erfuͤllte ihn, wie er ſie lange nicht empfunden. Ein tiefer Seufzer weckte ihn auf, welchen die ſilberne Agnes neben ihm that, und ſogleich ſchloſſen ſich ſeine Empfindungen, die aus dem Schattenreiche gleich Abendnebeln aufgeſtiegen, an dieſen lebendigen Kern; er ſah ihre ſeltſame Schoͤnheit und trank verwirrt aus ſeinem Wein¬ glaſe, als Agnes ihn ploͤtzlich aufforderte, mit ihr 19 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/301>, abgerufen am 21.11.2024.