Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

ter glänzendes Werk einen Diebstahl und eine
rücksichtslose Räuberei, eine Herzlosigkeit und
eine Gemeinheit. Heinrich jedoch schwieg still
und verarbeitete, als ein löblicher und gelehriger
Jüngling, die soeben gemachte Erfahrung, die er
sogleich begriff: daß es in Sachen der Kunst
keinerlei Patent giebt, sondern nur den einen
Satz: Mach's, wer kann! Sei's wer's wolle,
wenn's nur entsteht! und daß, wer eine gute Idee
schlecht ausführt, dem Rabenvater gleicht, welcher
ein Kind aussetzt, wer sie rettet, demjenigen, der
es aufnimmt und pflegt!

Er fühlte keinen Groll gegen den behenden
Meister, sondern veranstaltete stracks die Weg¬
nahme seiner eigenen Arbeit und steckte beschämt
jenen Zettel wieder ein, auf welchem er seinen
Preis angegeben hatte nebst seinem Namen.

Dies war einstweilen der erste und letzte Ver¬
such Heinrich's, durch seiner Hände Arbeit sein
Leben zu gewinnen, und nichts ging daraus her¬
vor, als die unbezahlte Rechnung für den ernst¬
haften stoischen Rahmen. Er begann zwar bald
einige andere Sachen, welche er besser zu machen

ter glaͤnzendes Werk einen Diebſtahl und eine
ruͤckſichtsloſe Raͤuberei, eine Herzloſigkeit und
eine Gemeinheit. Heinrich jedoch ſchwieg ſtill
und verarbeitete, als ein loͤblicher und gelehriger
Juͤngling, die ſoeben gemachte Erfahrung, die er
ſogleich begriff: daß es in Sachen der Kunſt
keinerlei Patent giebt, ſondern nur den einen
Satz: Mach's, wer kann! Sei's wer's wolle,
wenn's nur entſteht! und daß, wer eine gute Idee
ſchlecht ausfuͤhrt, dem Rabenvater gleicht, welcher
ein Kind ausſetzt, wer ſie rettet, demjenigen, der
es aufnimmt und pflegt!

Er fuͤhlte keinen Groll gegen den behenden
Meiſter, ſondern veranſtaltete ſtracks die Weg¬
nahme ſeiner eigenen Arbeit und ſteckte beſchaͤmt
jenen Zettel wieder ein, auf welchem er ſeinen
Preis angegeben hatte nebſt ſeinem Namen.

Dies war einſtweilen der erſte und letzte Ver¬
ſuch Heinrich's, durch ſeiner Haͤnde Arbeit ſein
Leben zu gewinnen, und nichts ging daraus her¬
vor, als die unbezahlte Rechnung fuͤr den ernſt¬
haften ſtoiſchen Rahmen. Er begann zwar bald
einige andere Sachen, welche er beſſer zu machen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="133"/>
ter gla&#x0364;nzendes Werk einen Dieb&#x017F;tahl und eine<lb/>
ru&#x0364;ck&#x017F;ichtslo&#x017F;e Ra&#x0364;uberei, eine Herzlo&#x017F;igkeit und<lb/>
eine Gemeinheit. Heinrich jedoch &#x017F;chwieg &#x017F;till<lb/>
und verarbeitete, als ein lo&#x0364;blicher und gelehriger<lb/>
Ju&#x0364;ngling, die &#x017F;oeben gemachte Erfahrung, die er<lb/>
&#x017F;ogleich begriff: daß es in Sachen der Kun&#x017F;t<lb/>
keinerlei Patent giebt, &#x017F;ondern nur den <hi rendition="#g">einen</hi><lb/>
Satz: Mach's, wer kann! Sei's wer's wolle,<lb/>
wenn's nur ent&#x017F;teht! und daß, wer eine gute Idee<lb/>
&#x017F;chlecht ausfu&#x0364;hrt, dem Rabenvater gleicht, welcher<lb/>
ein Kind aus&#x017F;etzt, wer &#x017F;ie rettet, demjenigen, der<lb/>
es aufnimmt und pflegt!</p><lb/>
        <p>Er fu&#x0364;hlte keinen Groll gegen den behenden<lb/>
Mei&#x017F;ter, &#x017F;ondern veran&#x017F;taltete &#x017F;tracks die Weg¬<lb/>
nahme &#x017F;einer eigenen Arbeit und &#x017F;teckte be&#x017F;cha&#x0364;mt<lb/>
jenen Zettel wieder ein, auf welchem er &#x017F;einen<lb/>
Preis angegeben hatte neb&#x017F;t &#x017F;einem Namen.</p><lb/>
        <p>Dies war ein&#x017F;tweilen der er&#x017F;te und letzte Ver¬<lb/>
&#x017F;uch Heinrich's, durch &#x017F;einer Ha&#x0364;nde Arbeit &#x017F;ein<lb/>
Leben zu gewinnen, und nichts ging daraus her¬<lb/>
vor, als die unbezahlte Rechnung fu&#x0364;r den ern&#x017F;<lb/>
haften &#x017F;toi&#x017F;chen Rahmen. Er begann zwar bald<lb/>
einige andere Sachen, welche er be&#x017F;&#x017F;er zu machen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0143] ter glaͤnzendes Werk einen Diebſtahl und eine ruͤckſichtsloſe Raͤuberei, eine Herzloſigkeit und eine Gemeinheit. Heinrich jedoch ſchwieg ſtill und verarbeitete, als ein loͤblicher und gelehriger Juͤngling, die ſoeben gemachte Erfahrung, die er ſogleich begriff: daß es in Sachen der Kunſt keinerlei Patent giebt, ſondern nur den einen Satz: Mach's, wer kann! Sei's wer's wolle, wenn's nur entſteht! und daß, wer eine gute Idee ſchlecht ausfuͤhrt, dem Rabenvater gleicht, welcher ein Kind ausſetzt, wer ſie rettet, demjenigen, der es aufnimmt und pflegt! Er fuͤhlte keinen Groll gegen den behenden Meiſter, ſondern veranſtaltete ſtracks die Weg¬ nahme ſeiner eigenen Arbeit und ſteckte beſchaͤmt jenen Zettel wieder ein, auf welchem er ſeinen Preis angegeben hatte nebſt ſeinem Namen. Dies war einſtweilen der erſte und letzte Ver¬ ſuch Heinrich's, durch ſeiner Haͤnde Arbeit ſein Leben zu gewinnen, und nichts ging daraus her¬ vor, als die unbezahlte Rechnung fuͤr den ernſt¬ haften ſtoiſchen Rahmen. Er begann zwar bald einige andere Sachen, welche er beſſer zu machen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/143
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/143>, abgerufen am 04.12.2024.