gedachte, und man sollte glauben, daß er bei sei¬ ner Unbefangenheit und Einsicht dies wirklich hätte müssen zu Wege bringen; aber es ist eben das Kennzeichen der berufenen Meister einer Art, daß sie von selbst mit dem Guten und Richtigen den Drang verbinden nach gemeiner Brauchbar¬ keit und Genießbarkeit und das Ziel erreichen, ohne ihrer Ehre zu vergeben; der Dilettanten dagegen, daß sie immer wieder in ihren unfrucht¬ baren Eigensinn zurückfallen und dem angeneh¬ men Erfolge hochfahrend entsagen. Dies nennen sie meistens edlen Stolz und treues Beharren am Höheren. Bei Heinrich war es indeß nicht so¬ wohl dieser Eigensinn, als die zuströmende Ge¬ dankenthätigkeit, welche, keinen anderen Ausweg sehend, ihn abermals bald auf das alte Erfin¬ dungswesen und die wechselnde Unternehmungs¬ lust gerathen ließ, das dringende Lebensbedürfniß allmälig vergessend. Dazu war er scheu und zag geworden, der Welt seine Arbeit gegen Geld an¬ zubieten, und war aufrichtig überzeugt, daß dieses unrechtmäßig gewonnen wäre, so lange er nicht selbst zufrieden sei mit seinen Erzeugnissen, un¬
gedachte, und man ſollte glauben, daß er bei ſei¬ ner Unbefangenheit und Einſicht dies wirklich haͤtte muͤſſen zu Wege bringen; aber es iſt eben das Kennzeichen der berufenen Meiſter einer Art, daß ſie von ſelbſt mit dem Guten und Richtigen den Drang verbinden nach gemeiner Brauchbar¬ keit und Genießbarkeit und das Ziel erreichen, ohne ihrer Ehre zu vergeben; der Dilettanten dagegen, daß ſie immer wieder in ihren unfrucht¬ baren Eigenſinn zuruͤckfallen und dem angeneh¬ men Erfolge hochfahrend entſagen. Dies nennen ſie meiſtens edlen Stolz und treues Beharren am Hoͤheren. Bei Heinrich war es indeß nicht ſo¬ wohl dieſer Eigenſinn, als die zuſtroͤmende Ge¬ dankenthaͤtigkeit, welche, keinen anderen Ausweg ſehend, ihn abermals bald auf das alte Erfin¬ dungsweſen und die wechſelnde Unternehmungs¬ luſt gerathen ließ, das dringende Lebensbeduͤrfniß allmaͤlig vergeſſend. Dazu war er ſcheu und zag geworden, der Welt ſeine Arbeit gegen Geld an¬ zubieten, und war aufrichtig uͤberzeugt, daß dieſes unrechtmaͤßig gewonnen waͤre, ſo lange er nicht ſelbſt zufrieden ſei mit ſeinen Erzeugniſſen, un¬
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gedachte, und man ſollte glauben, daß er bei ſei¬
ner Unbefangenheit und Einſicht dies wirklich
haͤtte muͤſſen zu Wege bringen; aber es iſt eben
das Kennzeichen der berufenen Meiſter einer Art,
daß ſie von ſelbſt mit dem Guten und Richtigen
den Drang verbinden nach gemeiner Brauchbar¬
keit und Genießbarkeit und das Ziel erreichen,
ohne ihrer Ehre zu vergeben; der Dilettanten
dagegen, daß ſie immer wieder in ihren unfrucht¬
baren Eigenſinn zuruͤckfallen und dem angeneh¬
men Erfolge hochfahrend entſagen. Dies nennen
ſie meiſtens edlen Stolz und treues Beharren am
Hoͤheren. Bei Heinrich war es indeß nicht ſo¬
wohl dieſer Eigenſinn, als die zuſtroͤmende Ge¬
dankenthaͤtigkeit, welche, keinen anderen Ausweg
ſehend, ihn abermals bald auf das alte Erfin¬
dungsweſen und die wechſelnde Unternehmungs¬
luſt gerathen ließ, das dringende Lebensbeduͤrfniß
allmaͤlig vergeſſend. Dazu war er ſcheu und zag
geworden, der Welt ſeine Arbeit gegen Geld an¬
zubieten, und war aufrichtig uͤberzeugt, daß dieſes
unrechtmaͤßig gewonnen waͤre, ſo lange er nicht
ſelbſt zufrieden ſei mit ſeinen Erzeugniſſen, un¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/144>, abgerufen am 11.12.2024.
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