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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Kunstkenner war, verstand sich um so besser auf
die Menschen und schmeichelte dem Widerstrebenden
ohne Weiteres die Wahrheit ab, deren er sich,
wie er aufmunternd sagte, nicht zu schämen
brauche, vielmehr zu rühmen hätte; denn die
Sachen schienen ihm in der That gar nicht übel
und er wolle es wagen und etwas Erkleckliches
daran wenden. Er gab ihm auch so viel dafür,
daß Heinrich einen oder zwei Tage davon leben
konnte, und diesem schien das ein Gewinn, dessen
er froh war, obschon er seinerzeit lust- und
fleißerfüllte Wochen über diesen Sachen zugebracht
hatte. Jetzt aber wog er das erhaltene winzige
Sümmchen nicht gegen den Werth seiner Arbeiten
ab, sondern gegen die Noth des Augenblickes,
und da erschien ihm denn der ärmliche Handels¬
mann mit seiner kleinen Casse noch als ein freund¬
licher Wohlthäter; denn er hätte ihn ja auch ab¬
weisen können, und das Wenige, was er mit gutem
Willen und gutmüthigen Geberden gab, war so
viel, als wenn jene reichen Bilderhändler erkleck¬
liche Summen für eine Laune oder Speculation
ihres eben so unsicheren Geschmackes hingaben.

Kunſtkenner war, verſtand ſich um ſo beſſer auf
die Menſchen und ſchmeichelte dem Widerſtrebenden
ohne Weiteres die Wahrheit ab, deren er ſich,
wie er aufmunternd ſagte, nicht zu ſchaͤmen
brauche, vielmehr zu ruͤhmen haͤtte; denn die
Sachen ſchienen ihm in der That gar nicht uͤbel
und er wolle es wagen und etwas Erkleckliches
daran wenden. Er gab ihm auch ſo viel dafuͤr,
daß Heinrich einen oder zwei Tage davon leben
konnte, und dieſem ſchien das ein Gewinn, deſſen
er froh war, obſchon er ſeinerzeit luſt- und
fleißerfuͤllte Wochen uͤber dieſen Sachen zugebracht
hatte. Jetzt aber wog er das erhaltene winzige
Suͤmmchen nicht gegen den Werth ſeiner Arbeiten
ab, ſondern gegen die Noth des Augenblickes,
und da erſchien ihm denn der aͤrmliche Handels¬
mann mit ſeiner kleinen Caſſe noch als ein freund¬
licher Wohlthaͤter; denn er haͤtte ihn ja auch ab¬
weiſen koͤnnen, und das Wenige, was er mit gutem
Willen und gutmuͤthigen Geberden gab, war ſo
viel, als wenn jene reichen Bilderhaͤndler erkleck¬
liche Summen fuͤr eine Laune oder Speculation
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[170/0180] Kunſtkenner war, verſtand ſich um ſo beſſer auf die Menſchen und ſchmeichelte dem Widerſtrebenden ohne Weiteres die Wahrheit ab, deren er ſich, wie er aufmunternd ſagte, nicht zu ſchaͤmen brauche, vielmehr zu ruͤhmen haͤtte; denn die Sachen ſchienen ihm in der That gar nicht uͤbel und er wolle es wagen und etwas Erkleckliches daran wenden. Er gab ihm auch ſo viel dafuͤr, daß Heinrich einen oder zwei Tage davon leben konnte, und dieſem ſchien das ein Gewinn, deſſen er froh war, obſchon er ſeinerzeit luſt- und fleißerfuͤllte Wochen uͤber dieſen Sachen zugebracht hatte. Jetzt aber wog er das erhaltene winzige Suͤmmchen nicht gegen den Werth ſeiner Arbeiten ab, ſondern gegen die Noth des Augenblickes, und da erſchien ihm denn der aͤrmliche Handels¬ mann mit ſeiner kleinen Caſſe noch als ein freund¬ licher Wohlthaͤter; denn er haͤtte ihn ja auch ab¬ weiſen koͤnnen, und das Wenige, was er mit gutem Willen und gutmuͤthigen Geberden gab, war ſo viel, als wenn jene reichen Bilderhaͤndler erkleck¬ liche Summen fuͤr eine Laune oder Speculation ihres eben ſo unſicheren Geſchmackes hingaben.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/180>, abgerufen am 28.11.2024.