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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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dem Gemach, daß Heinrich nicht begriff, wie durch
den dicken Epheu all das Licht herkomme. Der
Oheim und die Tante waren in ihren besten
Jahren, die Bäschen und die Vettern lustig und
blühender als je, der Schulmeister ebenfalls ein
sehr schöner Mann und aufgeräumt wie ein Jüng¬
ling, und Anna war als Mädchen von vierzehn
Jahren in jenem rothgeblümten Kleide und mit
der lieblichen Halskrause. Was aber sehr sonder¬
bar war: Alle, Anna nicht ausgenommen, trugen
lange feine kölnische Pfeifen in den Händen und
rauchten einen wohlriechenden Taback und Heinrich
ebenfalls. Dabei standen sie, die Verstorbenen
und die noch Lebendigen, keinen Augenblick still,
sondern gingen mit freundlichen frohen Mienen
unablässig die Stube auf und nieder, hin und
her, und dazwischen niedrig am Boden die zahl¬
reichen Jagdhunde, das Reh, der Marder, zahme
Falken und Tauben in friedlicher Eintracht, nur
daß die Thiere den entgegengesetzten Strich mit
den Menschen gingen und so ein wunderbares
Weben durcheinanderging. Der große Nußbaum¬
tisch war mit dem schönsten weißen Damasttuche

dem Gemach, daß Heinrich nicht begriff, wie durch
den dicken Epheu all das Licht herkomme. Der
Oheim und die Tante waren in ihren beſten
Jahren, die Baͤschen und die Vettern luſtig und
bluͤhender als je, der Schulmeiſter ebenfalls ein
ſehr ſchoͤner Mann und aufgeraͤumt wie ein Juͤng¬
ling, und Anna war als Maͤdchen von vierzehn
Jahren in jenem rothgebluͤmten Kleide und mit
der lieblichen Halskrauſe. Was aber ſehr ſonder¬
bar war: Alle, Anna nicht ausgenommen, trugen
lange feine koͤlniſche Pfeifen in den Haͤnden und
rauchten einen wohlriechenden Taback und Heinrich
ebenfalls. Dabei ſtanden ſie, die Verſtorbenen
und die noch Lebendigen, keinen Augenblick ſtill,
ſondern gingen mit freundlichen frohen Mienen
unablaͤſſig die Stube auf und nieder, hin und
her, und dazwiſchen niedrig am Boden die zahl¬
reichen Jagdhunde, das Reh, der Marder, zahme
Falken und Tauben in friedlicher Eintracht, nur
daß die Thiere den entgegengeſetzten Strich mit
den Menſchen gingen und ſo ein wunderbares
Weben durcheinanderging. Der große Nußbaum¬
tiſch war mit dem ſchoͤnſten weißen Damaſttuche

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[229/0239] dem Gemach, daß Heinrich nicht begriff, wie durch den dicken Epheu all das Licht herkomme. Der Oheim und die Tante waren in ihren beſten Jahren, die Baͤschen und die Vettern luſtig und bluͤhender als je, der Schulmeiſter ebenfalls ein ſehr ſchoͤner Mann und aufgeraͤumt wie ein Juͤng¬ ling, und Anna war als Maͤdchen von vierzehn Jahren in jenem rothgebluͤmten Kleide und mit der lieblichen Halskrauſe. Was aber ſehr ſonder¬ bar war: Alle, Anna nicht ausgenommen, trugen lange feine koͤlniſche Pfeifen in den Haͤnden und rauchten einen wohlriechenden Taback und Heinrich ebenfalls. Dabei ſtanden ſie, die Verſtorbenen und die noch Lebendigen, keinen Augenblick ſtill, ſondern gingen mit freundlichen frohen Mienen unablaͤſſig die Stube auf und nieder, hin und her, und dazwiſchen niedrig am Boden die zahl¬ reichen Jagdhunde, das Reh, der Marder, zahme Falken und Tauben in friedlicher Eintracht, nur daß die Thiere den entgegengeſetzten Strich mit den Menſchen gingen und ſo ein wunderbares Weben durcheinanderging. Der große Nußbaum¬ tiſch war mit dem ſchoͤnſten weißen Damaſttuche

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/239>, abgerufen am 24.11.2024.