Kästchen voll Spezereien und Gewürze. Er machte eine Thür nach der anderen wieder zu, wohlzufrieden mit dem Gesehenen und nur ängst¬ lich, daß er die Mutter nirgend fand, um sich in dem trefflichen Heimwesen sogleich einrichten zu können. Suchend drückte er sich an eines der prächtigen Fenster und hielt die Hand an die Schläfe, um die Blendung des dunklen Krystalles zu vermeiden; da sah er, anstatt in ein Gemach hinein, in einen herrlichen Garten hinaus, der im Sonnenlichte lag, und dort glaubte er zu sehen, wie seine Mutter im Glanze der Jugend und Schönheit, angethan mit seidenen Gewändern, durch die Blumenbeete wandelte. Er wollte ihr eben sehnlich zurufen, als er unten auf der Gasse ein häßliches Zanken vernahm. Erschreckt sah er sich um und sprang im Nu hinunter; denn unten stand der vom Thurme gestürzte junge Mensch aus der Jugendzeit, jener feindliche Meier¬ lein, und störte mit einem Stecken Heinrich's schöne Effecten auseinander. Wie dieser aber unten war, geriethen sie einander in die Haare und rauften sich ganz unbarmherzig. Der
Kaͤſtchen voll Spezereien und Gewuͤrze. Er machte eine Thuͤr nach der anderen wieder zu, wohlzufrieden mit dem Geſehenen und nur aͤngſt¬ lich, daß er die Mutter nirgend fand, um ſich in dem trefflichen Heimweſen ſogleich einrichten zu koͤnnen. Suchend druͤckte er ſich an eines der praͤchtigen Fenſter und hielt die Hand an die Schlaͤfe, um die Blendung des dunklen Kryſtalles zu vermeiden; da ſah er, anſtatt in ein Gemach hinein, in einen herrlichen Garten hinaus, der im Sonnenlichte lag, und dort glaubte er zu ſehen, wie ſeine Mutter im Glanze der Jugend und Schoͤnheit, angethan mit ſeidenen Gewaͤndern, durch die Blumenbeete wandelte. Er wollte ihr eben ſehnlich zurufen, als er unten auf der Gaſſe ein haͤßliches Zanken vernahm. Erſchreckt ſah er ſich um und ſprang im Nu hinunter; denn unten ſtand der vom Thurme geſtuͤrzte junge Menſch aus der Jugendzeit, jener feindliche Meier¬ lein, und ſtoͤrte mit einem Stecken Heinrich's ſchoͤne Effecten auseinander. Wie dieſer aber unten war, geriethen ſie einander in die Haare und rauften ſich ganz unbarmherzig. Der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0269"n="259"/>
Kaͤſtchen voll Spezereien und Gewuͤrze. Er<lb/>
machte eine Thuͤr nach der anderen wieder zu,<lb/>
wohlzufrieden mit dem Geſehenen und nur aͤngſt¬<lb/>
lich, daß er die Mutter nirgend fand, um ſich in<lb/>
dem trefflichen Heimweſen ſogleich einrichten zu<lb/>
koͤnnen. Suchend druͤckte er ſich an eines der<lb/>
praͤchtigen Fenſter und hielt die Hand an die<lb/>
Schlaͤfe, um die Blendung des dunklen Kryſtalles<lb/>
zu vermeiden; da ſah er, anſtatt in ein Gemach<lb/>
hinein, in einen herrlichen Garten hinaus, der im<lb/>
Sonnenlichte lag, und dort glaubte er zu ſehen,<lb/>
wie ſeine Mutter im Glanze der Jugend und<lb/>
Schoͤnheit, angethan mit ſeidenen Gewaͤndern,<lb/>
durch die Blumenbeete wandelte. Er wollte ihr<lb/>
eben ſehnlich zurufen, als er unten auf der Gaſſe<lb/>
ein haͤßliches Zanken vernahm. Erſchreckt ſah<lb/>
er ſich um und ſprang im Nu hinunter; denn<lb/>
unten ſtand der vom Thurme geſtuͤrzte junge<lb/>
Menſch aus der Jugendzeit, jener feindliche Meier¬<lb/>
lein, und ſtoͤrte mit einem Stecken Heinrich's<lb/>ſchoͤne Effecten auseinander. Wie dieſer aber<lb/>
unten war, geriethen ſie einander in die Haare<lb/>
und rauften ſich ganz unbarmherzig. Der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[259/0269]
Kaͤſtchen voll Spezereien und Gewuͤrze. Er
machte eine Thuͤr nach der anderen wieder zu,
wohlzufrieden mit dem Geſehenen und nur aͤngſt¬
lich, daß er die Mutter nirgend fand, um ſich in
dem trefflichen Heimweſen ſogleich einrichten zu
koͤnnen. Suchend druͤckte er ſich an eines der
praͤchtigen Fenſter und hielt die Hand an die
Schlaͤfe, um die Blendung des dunklen Kryſtalles
zu vermeiden; da ſah er, anſtatt in ein Gemach
hinein, in einen herrlichen Garten hinaus, der im
Sonnenlichte lag, und dort glaubte er zu ſehen,
wie ſeine Mutter im Glanze der Jugend und
Schoͤnheit, angethan mit ſeidenen Gewaͤndern,
durch die Blumenbeete wandelte. Er wollte ihr
eben ſehnlich zurufen, als er unten auf der Gaſſe
ein haͤßliches Zanken vernahm. Erſchreckt ſah
er ſich um und ſprang im Nu hinunter; denn
unten ſtand der vom Thurme geſtuͤrzte junge
Menſch aus der Jugendzeit, jener feindliche Meier¬
lein, und ſtoͤrte mit einem Stecken Heinrich's
ſchoͤne Effecten auseinander. Wie dieſer aber
unten war, geriethen ſie einander in die Haare
und rauften ſich ganz unbarmherzig. Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/269>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.