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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Klagt mich nicht an, daß ich vor Leid
Mein eigen Bild nur könne sehen!
Ich seh' durch meinen grauen Flor
Wohl euere Gestalten gehen.
Und durch den starken Wellenschlag
Der See, die gegen mich verschworen,
Geht mir von euerem Gesang,
Wenn auch gedämpft, kein Ton verloren!
Und wie die Danaide wohl
Einmal neugierig um sich blicket,
So schau' ich euch verwundert nach,
Besorgt, wie ihr euch fügt und schicket.

Je herber und trockener diese Verse an sich
waren, desto unmittelbarer und wahrer drückten
sie seine Gemüthsverfassung aus, da ein blühen¬
des und vollkommenes Kunstwerkchen nicht in
einer solchen selbst, sondern erst in der versöhnten
Erinnerung entstehen kann. Die Zeilen dünkten
den über seine plötzliche Kunst Verwunderten
aber die schönste Musik; er vertrieb sich die öde
Zeit, indem er ferner dergleichen Träume festhielt,
und als er wieder von dem schlimmen Meierlein

Klagt mich nicht an, daß ich vor Leid
Mein eigen Bild nur koͤnne ſehen!
Ich ſeh' durch meinen grauen Flor
Wohl euere Geſtalten gehen.
Und durch den ſtarken Wellenſchlag
Der See, die gegen mich verſchworen,
Geht mir von euerem Geſang,
Wenn auch gedaͤmpft, kein Ton verloren!
Und wie die Danaide wohl
Einmal neugierig um ſich blicket,
So ſchau' ich euch verwundert nach,
Beſorgt, wie ihr euch fuͤgt und ſchicket.

Je herber und trockener dieſe Verſe an ſich
waren, deſto unmittelbarer und wahrer druͤckten
ſie ſeine Gemuͤthsverfaſſung aus, da ein bluͤhen¬
des und vollkommenes Kunſtwerkchen nicht in
einer ſolchen ſelbſt, ſondern erſt in der verſoͤhnten
Erinnerung entſtehen kann. Die Zeilen duͤnkten
den uͤber ſeine ploͤtzliche Kunſt Verwunderten
aber die ſchoͤnſte Muſik; er vertrieb ſich die oͤde
Zeit, indem er ferner dergleichen Traͤume feſthielt,
und als er wieder von dem ſchlimmen Meierlein

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[264/0274] Klagt mich nicht an, daß ich vor Leid Mein eigen Bild nur koͤnne ſehen! Ich ſeh' durch meinen grauen Flor Wohl euere Geſtalten gehen. Und durch den ſtarken Wellenſchlag Der See, die gegen mich verſchworen, Geht mir von euerem Geſang, Wenn auch gedaͤmpft, kein Ton verloren! Und wie die Danaide wohl Einmal neugierig um ſich blicket, So ſchau' ich euch verwundert nach, Beſorgt, wie ihr euch fuͤgt und ſchicket. Je herber und trockener dieſe Verſe an ſich waren, deſto unmittelbarer und wahrer druͤckten ſie ſeine Gemuͤthsverfaſſung aus, da ein bluͤhen¬ des und vollkommenes Kunſtwerkchen nicht in einer ſolchen ſelbſt, ſondern erſt in der verſoͤhnten Erinnerung entſtehen kann. Die Zeilen duͤnkten den uͤber ſeine ploͤtzliche Kunſt Verwunderten aber die ſchoͤnſte Muſik; er vertrieb ſich die oͤde Zeit, indem er ferner dergleichen Traͤume feſthielt, und als er wieder von dem ſchlimmen Meierlein

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/274>, abgerufen am 21.11.2024.