Wildniß und suchte nur die Richtung nach der Heimath innezuhalten, indem er die Himmels¬ gegend nach den Spuren des verloschenen herbst¬ lichen Abendrothes im Auge behielt. Obschon er müde ward, so wanderte er unverdrossen weiter, sein Päckchen bald unter diesen, bald unter jenen Arm nehmend; denn die Nacht war frostig und kalt. Bald schmerzten ihn auch die steinigen harten Geleise der Wege durch die schlechten Soh¬ len und er schlotterte in seinen dünnen Kleidern. Die tiefste Einsamkeit waltete jetzt auf Erden, da es Mitternacht war und Heinrich über weite Felder ging; aber um so belebter waren die herbst¬ lichen, mondlosen aber mit tausend Sternbildern durchwirkten Lüfte, denn singende, zwitschernde Staaren- und Schwalbenvölker zogen nach Süden, ja die ganze Nacht hindurch rauschte und tönte es auf den himmlischen Straßen von Sänger¬ schaaren, wilden Tauben-, Hühner- und Gänse¬ zügen, welche entweder weit aus Norden kamen, oder aus diesen Fluren aufbrachen und südwärts reisten. Noch nie hatte Heinrich diesen herbst¬ lichen Nachtverkehr der Lüfte so genau und auf¬
IV. 18
Wildniß und ſuchte nur die Richtung nach der Heimath innezuhalten, indem er die Himmels¬ gegend nach den Spuren des verloſchenen herbſt¬ lichen Abendrothes im Auge behielt. Obſchon er muͤde ward, ſo wanderte er unverdroſſen weiter, ſein Paͤckchen bald unter dieſen, bald unter jenen Arm nehmend; denn die Nacht war froſtig und kalt. Bald ſchmerzten ihn auch die ſteinigen harten Geleiſe der Wege durch die ſchlechten Soh¬ len und er ſchlotterte in ſeinen duͤnnen Kleidern. Die tiefſte Einſamkeit waltete jetzt auf Erden, da es Mitternacht war und Heinrich uͤber weite Felder ging; aber um ſo belebter waren die herbſt¬ lichen, mondloſen aber mit tauſend Sternbildern durchwirkten Luͤfte, denn ſingende, zwitſchernde Staaren- und Schwalbenvoͤlker zogen nach Suͤden, ja die ganze Nacht hindurch rauſchte und toͤnte es auf den himmliſchen Straßen von Saͤnger¬ ſchaaren, wilden Tauben-, Huͤhner- und Gaͤnſe¬ zuͤgen, welche entweder weit aus Norden kamen, oder aus dieſen Fluren aufbrachen und ſuͤdwaͤrts reiſten. Noch nie hatte Heinrich dieſen herbſt¬ lichen Nachtverkehr der Luͤfte ſo genau und auf¬
IV. 18
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Wildniß und ſuchte nur die Richtung nach der
Heimath innezuhalten, indem er die Himmels¬
gegend nach den Spuren des verloſchenen herbſt¬
lichen Abendrothes im Auge behielt. Obſchon er
muͤde ward, ſo wanderte er unverdroſſen weiter,
ſein Paͤckchen bald unter dieſen, bald unter jenen
Arm nehmend; denn die Nacht war froſtig und
kalt. Bald ſchmerzten ihn auch die ſteinigen
harten Geleiſe der Wege durch die ſchlechten Soh¬
len und er ſchlotterte in ſeinen duͤnnen Kleidern.
Die tiefſte Einſamkeit waltete jetzt auf Erden,
da es Mitternacht war und Heinrich uͤber weite
Felder ging; aber um ſo belebter waren die herbſt¬
lichen, mondloſen aber mit tauſend Sternbildern
durchwirkten Luͤfte, denn ſingende, zwitſchernde
Staaren- und Schwalbenvoͤlker zogen nach Suͤden,
ja die ganze Nacht hindurch rauſchte und toͤnte
es auf den himmliſchen Straßen von Saͤnger¬
ſchaaren, wilden Tauben-, Huͤhner- und Gaͤnſe¬
zuͤgen, welche entweder weit aus Norden kamen,
oder aus dieſen Fluren aufbrachen und ſuͤdwaͤrts
reiſten. Noch nie hatte Heinrich dieſen herbſt¬
lichen Nachtverkehr der Luͤfte ſo genau und auf¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/283>, abgerufen am 21.11.2024.
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