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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Neuntes Kapitel.

Jedoch hielten diese moralischen Lebensgeister
den Wanderer kaum noch ein Stündchen aufrecht,
worauf, als es Abend wurde, seine Kräfte end¬
lich nachzulassen begannen und er merkte, daß er
in keinem Falle die Nacht hindurch gehen könne.
Die leibliche Noth, Schwäche, Hunger und Kälte
machten sich jetzt so vermehrt und unmittelbar
geltend, daß Heinrich gänzlich jener Niederge¬
schlagenheit und Rathlosigkeit anheimfiel, welche
durch den Aerger noch erbittert wird, daß ja keine
Rede davon sein könne, etwa umzukommen oder
unterzugehen, und also das schlechte Abenteuer
nur eine entbehrliche Vexation sei. Doch raffte
er sich noch einmal zusammen und behauptete
dem guten Muthe mit verzweifelter Kraftanstren¬
gung die Oberhand. Er war jetzt aus einer
Waldstraße getreten und sah ein breites Thal vor
sich, welches ein großes Gut zu enthalten schien,

Neuntes Kapitel.

Jedoch hielten dieſe moraliſchen Lebensgeiſter
den Wanderer kaum noch ein Stuͤndchen aufrecht,
worauf, als es Abend wurde, ſeine Kraͤfte end¬
lich nachzulaſſen begannen und er merkte, daß er
in keinem Falle die Nacht hindurch gehen koͤnne.
Die leibliche Noth, Schwaͤche, Hunger und Kaͤlte
machten ſich jetzt ſo vermehrt und unmittelbar
geltend, daß Heinrich gaͤnzlich jener Niederge¬
ſchlagenheit und Rathloſigkeit anheimfiel, welche
durch den Aerger noch erbittert wird, daß ja keine
Rede davon ſein koͤnne, etwa umzukommen oder
unterzugehen, und alſo das ſchlechte Abenteuer
nur eine entbehrliche Vexation ſei. Doch raffte
er ſich noch einmal zuſammen und behauptete
dem guten Muthe mit verzweifelter Kraftanſtren¬
gung die Oberhand. Er war jetzt aus einer
Waldſtraße getreten und ſah ein breites Thal vor
ſich, welches ein großes Gut zu enthalten ſchien,

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[0305] Neuntes Kapitel. Jedoch hielten dieſe moraliſchen Lebensgeiſter den Wanderer kaum noch ein Stuͤndchen aufrecht, worauf, als es Abend wurde, ſeine Kraͤfte end¬ lich nachzulaſſen begannen und er merkte, daß er in keinem Falle die Nacht hindurch gehen koͤnne. Die leibliche Noth, Schwaͤche, Hunger und Kaͤlte machten ſich jetzt ſo vermehrt und unmittelbar geltend, daß Heinrich gaͤnzlich jener Niederge¬ ſchlagenheit und Rathloſigkeit anheimfiel, welche durch den Aerger noch erbittert wird, daß ja keine Rede davon ſein koͤnne, etwa umzukommen oder unterzugehen, und alſo das ſchlechte Abenteuer nur eine entbehrliche Vexation ſei. Doch raffte er ſich noch einmal zuſammen und behauptete dem guten Muthe mit verzweifelter Kraftanſtren¬ gung die Oberhand. Er war jetzt aus einer Waldſtraße getreten und ſah ein breites Thal vor ſich, welches ein großes Gut zu enthalten ſchien,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/305>, abgerufen am 22.11.2024.