denn schöne Parkbäume, die eine herrschaftliche Dächergruppe umgaben, wechselten mit den Wal¬ dungen ab und zwischen weiten Wiesengründen und Feldern lag eine weitläufige Dorfschaft zer¬ streut. Zunächst vor ihm sah er ein katholisches Kirchlein stehen, dessen Thüren offen waren.
Er trat hinein, wo es schon ganz dämmerig war und das ewige Licht wie ein Stern vor dem Altar schwebte. Die Kirche schien uralt zu sein, die Fenster waren zum Theil gemalt und die Wände so wie der Boden mit adeligen Grabstei¬ nen bedeckt. "Hier will ich die Nacht zubringen," sagte Heinrich zu sich selbst, "und unter dem Schutze der allerchristlichsten Kirche austrocknen und ausruhen." Er setzte sich in einen dunklen Beichtstuhl, in welchem ein stattliches Kissen lag, und wollte eben das grüne seidene Vorhängel¬ chen vorziehen, um augenblicklich einzuschlafen, als eine derbe Hand das Vorhängelchen anhielt, und der Küster, der ihm nachgegangen, vor ihm stand und sagte: "Wollt Ihr etwa hier übernach¬ ten, guter Freund? Hier könnt Ihr nicht bleiben!"
"Warum nicht?" sagte Heinrich.
denn ſchoͤne Parkbaͤume, die eine herrſchaftliche Daͤchergruppe umgaben, wechſelten mit den Wal¬ dungen ab und zwiſchen weiten Wieſengruͤnden und Feldern lag eine weitlaͤufige Dorfſchaft zer¬ ſtreut. Zunaͤchſt vor ihm ſah er ein katholiſches Kirchlein ſtehen, deſſen Thuͤren offen waren.
Er trat hinein, wo es ſchon ganz daͤmmerig war und das ewige Licht wie ein Stern vor dem Altar ſchwebte. Die Kirche ſchien uralt zu ſein, die Fenſter waren zum Theil gemalt und die Waͤnde ſo wie der Boden mit adeligen Grabſtei¬ nen bedeckt. »Hier will ich die Nacht zubringen,« ſagte Heinrich zu ſich ſelbſt, »und unter dem Schutze der allerchriſtlichſten Kirche austrocknen und ausruhen.« Er ſetzte ſich in einen dunklen Beichtſtuhl, in welchem ein ſtattliches Kiſſen lag, und wollte eben das gruͤne ſeidene Vorhaͤngel¬ chen vorziehen, um augenblicklich einzuſchlafen, als eine derbe Hand das Vorhaͤngelchen anhielt, und der Kuͤſter, der ihm nachgegangen, vor ihm ſtand und ſagte: »Wollt Ihr etwa hier uͤbernach¬ ten, guter Freund? Hier koͤnnt Ihr nicht bleiben!«
»Warum nicht?« ſagte Heinrich.
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denn ſchoͤne Parkbaͤume, die eine herrſchaftliche
Daͤchergruppe umgaben, wechſelten mit den Wal¬
dungen ab und zwiſchen weiten Wieſengruͤnden
und Feldern lag eine weitlaͤufige Dorfſchaft zer¬
ſtreut. Zunaͤchſt vor ihm ſah er ein katholiſches
Kirchlein ſtehen, deſſen Thuͤren offen waren.
Er trat hinein, wo es ſchon ganz daͤmmerig
war und das ewige Licht wie ein Stern vor dem
Altar ſchwebte. Die Kirche ſchien uralt zu ſein,
die Fenſter waren zum Theil gemalt und die
Waͤnde ſo wie der Boden mit adeligen Grabſtei¬
nen bedeckt. »Hier will ich die Nacht zubringen,«
ſagte Heinrich zu ſich ſelbſt, »und unter dem
Schutze der allerchriſtlichſten Kirche austrocknen
und ausruhen.« Er ſetzte ſich in einen dunklen
Beichtſtuhl, in welchem ein ſtattliches Kiſſen lag,
und wollte eben das gruͤne ſeidene Vorhaͤngel¬
chen vorziehen, um augenblicklich einzuſchlafen,
als eine derbe Hand das Vorhaͤngelchen anhielt,
und der Kuͤſter, der ihm nachgegangen, vor ihm
ſtand und ſagte: »Wollt Ihr etwa hier uͤbernach¬
ten, guter Freund? Hier koͤnnt Ihr nicht bleiben!«
»Warum nicht?« ſagte Heinrich.
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/306>, abgerufen am 21.11.2024.
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