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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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"Larifari! erwiederte der Graf, "ich sage
Ihnen, es war bloß Ihr guter Instinkt, der Sie
damals Nichts zu wege bringen ließ. Ein Mensch,
der zu was Besserem taugt, macht das Schlech¬
tere immer schlecht, gerade so lange er es gezwun¬
gen und in guter Naivetät macht; denn nur das
Höchste, was er überhaupt hervorbringen kann,
macht der Unbefangene gut; in allem Anderen
macht er Unsinn und Dummheiten. Ein Anderes
ist, wenn er aus purem Uebermuth das Beschränk¬
tere wieder vornimmt, da mag es ihm spielend
gelingen. Und dies wollen wir, denk' ich, noch
versuchen; denn Sie müssen nicht so jämmerlich
davonlaufen, sondern mit gutem Anstand von dem
Handwerk Ihrer Jugend scheiden, daß Keiner
Ihnen ein schiefes Gesicht nachschneiden kann!
Auch was wir aufgeben, müssen wir elegant und
fertig aufgeben und ihm mit geschlossener Abrech¬
nung freiwillig den Rücken kehren. Dann aber
wollen wir bestialische Flurschützen prügeln, dies
sei unser Metier, in Liebe und Haß wirken, in
Neigung und Widerstand! Sie werden aufhören,
selbst Thränen zu vergießen, aber dafür Andere

»Larifari! erwiederte der Graf, »ich ſage
Ihnen, es war bloß Ihr guter Inſtinkt, der Sie
damals Nichts zu wege bringen ließ. Ein Menſch,
der zu was Beſſerem taugt, macht das Schlech¬
tere immer ſchlecht, gerade ſo lange er es gezwun¬
gen und in guter Naivetaͤt macht; denn nur das
Hoͤchſte, was er uͤberhaupt hervorbringen kann,
macht der Unbefangene gut; in allem Anderen
macht er Unſinn und Dummheiten. Ein Anderes
iſt, wenn er aus purem Uebermuth das Beſchraͤnk¬
tere wieder vornimmt, da mag es ihm ſpielend
gelingen. Und dies wollen wir, denk' ich, noch
verſuchen; denn Sie muͤſſen nicht ſo jaͤmmerlich
davonlaufen, ſondern mit gutem Anſtand von dem
Handwerk Ihrer Jugend ſcheiden, daß Keiner
Ihnen ein ſchiefes Geſicht nachſchneiden kann!
Auch was wir aufgeben, muͤſſen wir elegant und
fertig aufgeben und ihm mit geſchloſſener Abrech¬
nung freiwillig den Ruͤcken kehren. Dann aber
wollen wir beſtialiſche Flurſchuͤtzen pruͤgeln, dies
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[334/0344] »Larifari! erwiederte der Graf, »ich ſage Ihnen, es war bloß Ihr guter Inſtinkt, der Sie damals Nichts zu wege bringen ließ. Ein Menſch, der zu was Beſſerem taugt, macht das Schlech¬ tere immer ſchlecht, gerade ſo lange er es gezwun¬ gen und in guter Naivetaͤt macht; denn nur das Hoͤchſte, was er uͤberhaupt hervorbringen kann, macht der Unbefangene gut; in allem Anderen macht er Unſinn und Dummheiten. Ein Anderes iſt, wenn er aus purem Uebermuth das Beſchraͤnk¬ tere wieder vornimmt, da mag es ihm ſpielend gelingen. Und dies wollen wir, denk' ich, noch verſuchen; denn Sie muͤſſen nicht ſo jaͤmmerlich davonlaufen, ſondern mit gutem Anſtand von dem Handwerk Ihrer Jugend ſcheiden, daß Keiner Ihnen ein ſchiefes Geſicht nachſchneiden kann! Auch was wir aufgeben, muͤſſen wir elegant und fertig aufgeben und ihm mit geſchloſſener Abrech¬ nung freiwillig den Ruͤcken kehren. Dann aber wollen wir beſtialiſche Flurſchuͤtzen pruͤgeln, dies ſei unſer Metier, in Liebe und Haß wirken, in Neigung und Widerſtand! Sie werden aufhoͤren, ſelbſt Thraͤnen zu vergießen, aber dafuͤr Andere

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/344>, abgerufen am 22.11.2024.