Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

deren vergießen lassen, die Einen aus Freude, die
Anderen aus Zorn und Aerger! Aber jetzt vor
Allem zur Sache! Ich habe Ihre sämmtlichen Stu¬
dien bei dem alten Teufelskerl gekauft, Stück für
Stück um einen Thaler. Ich lief eifrig hin, damit
mir ja keine entgehe, denn die Sachen gefielen mir
wohl, ohne daß ich jedoch viel dabei dachte, und erst
als ich sah, daß hier ein ganzer wohlgeordneter Fleiß
stückweise zum Vorschein kam, vielleicht die heiteren
Blüthenjahre eines unglücklich gewordenen Men¬
schen, gewann ich ein tieferes Interesse an den
Sachen und sammelte sie sorgfältig auf, seltsam
bewegt, wenn ich sie so beisammen sah und alle
die verschwendete Liebe und Treue eines Unbe¬
kannten, die Luft eines schönen Landes und ver¬
lorener Heimath herausfühlte; denn man sah wohl,
daß dies nicht Reisestudien waren, sondern ein
Grund und Boden vom Jugendlande des Urhe¬
bers. Der Trödler wollte mir aber nie sagen,
wo derselbe aufzufinden und beharrte eigensinnig
auf seinem Geheimniß; er log mich an und sagte,
es schicke sie ihm ein auswärtiger Händler, als
ob der Kauz weiß Gott welche Geschäftsverbin¬

deren vergießen laſſen, die Einen aus Freude, die
Anderen aus Zorn und Aerger! Aber jetzt vor
Allem zur Sache! Ich habe Ihre ſaͤmmtlichen Stu¬
dien bei dem alten Teufelskerl gekauft, Stuͤck fuͤr
Stuͤck um einen Thaler. Ich lief eifrig hin, damit
mir ja keine entgehe, denn die Sachen gefielen mir
wohl, ohne daß ich jedoch viel dabei dachte, und erſt
als ich ſah, daß hier ein ganzer wohlgeordneter Fleiß
ſtuͤckweiſe zum Vorſchein kam, vielleicht die heiteren
Bluͤthenjahre eines ungluͤcklich gewordenen Men¬
ſchen, gewann ich ein tieferes Intereſſe an den
Sachen und ſammelte ſie ſorgfaͤltig auf, ſeltſam
bewegt, wenn ich ſie ſo beiſammen ſah und alle
die verſchwendete Liebe und Treue eines Unbe¬
kannten, die Luft eines ſchoͤnen Landes und ver¬
lorener Heimath herausfuͤhlte; denn man ſah wohl,
daß dies nicht Reiſeſtudien waren, ſondern ein
Grund und Boden vom Jugendlande des Urhe¬
bers. Der Troͤdler wollte mir aber nie ſagen,
wo derſelbe aufzufinden und beharrte eigenſinnig
auf ſeinem Geheimniß; er log mich an und ſagte,
es ſchicke ſie ihm ein auswaͤrtiger Haͤndler, als
ob der Kauz weiß Gott welche Geſchaͤftsverbin¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0345" n="335"/>
deren vergießen la&#x017F;&#x017F;en, die Einen aus Freude, die<lb/>
Anderen aus Zorn und Aerger! Aber jetzt vor<lb/>
Allem zur Sache! Ich habe Ihre &#x017F;a&#x0364;mmtlichen Stu¬<lb/>
dien bei dem alten Teufelskerl gekauft, Stu&#x0364;ck fu&#x0364;r<lb/>
Stu&#x0364;ck um einen Thaler. Ich lief eifrig hin, damit<lb/>
mir ja keine entgehe, denn die Sachen gefielen mir<lb/>
wohl, ohne daß ich jedoch viel dabei dachte, und er&#x017F;t<lb/>
als ich &#x017F;ah, daß hier ein ganzer wohlgeordneter Fleiß<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;ckwei&#x017F;e zum Vor&#x017F;chein kam, vielleicht die heiteren<lb/>
Blu&#x0364;thenjahre eines unglu&#x0364;cklich gewordenen Men¬<lb/>
&#x017F;chen, gewann ich ein tieferes Intere&#x017F;&#x017F;e an den<lb/>
Sachen und &#x017F;ammelte &#x017F;ie &#x017F;orgfa&#x0364;ltig auf, &#x017F;elt&#x017F;am<lb/>
bewegt, wenn ich &#x017F;ie &#x017F;o bei&#x017F;ammen &#x017F;ah und alle<lb/>
die ver&#x017F;chwendete Liebe und Treue eines Unbe¬<lb/>
kannten, die Luft eines &#x017F;cho&#x0364;nen Landes und ver¬<lb/>
lorener Heimath herausfu&#x0364;hlte; denn man &#x017F;ah wohl,<lb/>
daß dies nicht Rei&#x017F;e&#x017F;tudien waren, &#x017F;ondern ein<lb/>
Grund und Boden vom Jugendlande des Urhe¬<lb/>
bers. Der Tro&#x0364;dler wollte mir aber nie &#x017F;agen,<lb/>
wo der&#x017F;elbe aufzufinden und beharrte eigen&#x017F;innig<lb/>
auf &#x017F;einem Geheimniß; er log mich an und &#x017F;agte,<lb/>
es &#x017F;chicke &#x017F;ie ihm ein auswa&#x0364;rtiger Ha&#x0364;ndler, als<lb/>
ob der Kauz weiß Gott welche Ge&#x017F;cha&#x0364;ftsverbin¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0345] deren vergießen laſſen, die Einen aus Freude, die Anderen aus Zorn und Aerger! Aber jetzt vor Allem zur Sache! Ich habe Ihre ſaͤmmtlichen Stu¬ dien bei dem alten Teufelskerl gekauft, Stuͤck fuͤr Stuͤck um einen Thaler. Ich lief eifrig hin, damit mir ja keine entgehe, denn die Sachen gefielen mir wohl, ohne daß ich jedoch viel dabei dachte, und erſt als ich ſah, daß hier ein ganzer wohlgeordneter Fleiß ſtuͤckweiſe zum Vorſchein kam, vielleicht die heiteren Bluͤthenjahre eines ungluͤcklich gewordenen Men¬ ſchen, gewann ich ein tieferes Intereſſe an den Sachen und ſammelte ſie ſorgfaͤltig auf, ſeltſam bewegt, wenn ich ſie ſo beiſammen ſah und alle die verſchwendete Liebe und Treue eines Unbe¬ kannten, die Luft eines ſchoͤnen Landes und ver¬ lorener Heimath herausfuͤhlte; denn man ſah wohl, daß dies nicht Reiſeſtudien waren, ſondern ein Grund und Boden vom Jugendlande des Urhe¬ bers. Der Troͤdler wollte mir aber nie ſagen, wo derſelbe aufzufinden und beharrte eigenſinnig auf ſeinem Geheimniß; er log mich an und ſagte, es ſchicke ſie ihm ein auswaͤrtiger Haͤndler, als ob der Kauz weiß Gott welche Geſchaͤftsverbin¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/345
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/345>, abgerufen am 22.11.2024.