Feuerbach, der bestrickende Vogel, der auf einem grünen Aste in der Wildniß sitzt und mit seinem monotonen, tiefen und classischen Gesang den Gott aus der Menschenbrust wegsingt! Glaubt man nicht ihn zu hören, wenn wir die Verse lesen:
Ich bin so groß als Gott, Er ist als ich so klein: Er kann nicht über mich, ich unter Ihm nicht sein.
"Ferner:
Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nun kann leben, Werd' ich zunicht, er muß vor Noth den Geist aufgeben.
"Auch dies:
Daß Gott so selig ist und lebet ohn' Verlangen, Hat er sowohl von mir, als ich von ihm empfangen.
Und wie einfach wahr findet man das Wesen der Zeit besungen, wenn man das Sinngedicht¬ chen liest: "Man muß sich überschwenken."
Mensch! wo du deinen Geist schwingst über Ort und Zeit, So kannst du jeden Blick sein in der Ewigkeit.
"Besonders aber dies: "Der Mensch ist Ewigkeit."
Feuerbach, der beſtrickende Vogel, der auf einem gruͤnen Aſte in der Wildniß ſitzt und mit ſeinem monotonen, tiefen und claſſiſchen Geſang den Gott aus der Menſchenbruſt wegſingt! Glaubt man nicht ihn zu hoͤren, wenn wir die Verſe leſen:
Ich bin ſo groß als Gott, Er iſt als ich ſo klein: Er kann nicht uͤber mich, ich unter Ihm nicht ſein.
»Ferner:
Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nun kann leben, Werd' ich zunicht, er muß vor Noth den Geiſt aufgeben.
»Auch dies:
Daß Gott ſo ſelig iſt und lebet ohn' Verlangen, Hat er ſowohl von mir, als ich von ihm empfangen.
Und wie einfach wahr findet man das Weſen der Zeit beſungen, wenn man das Sinngedicht¬ chen lieſt: »Man muß ſich uͤberſchwenken.«
Menſch! wo du deinen Geiſt ſchwingſt uͤber Ort und Zeit, So kannſt du jeden Blick ſein in der Ewigkeit.
»Beſonders aber dies: »Der Menſch iſt Ewigkeit.«
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Feuerbach, der beſtrickende Vogel, der auf einem
gruͤnen Aſte in der Wildniß ſitzt und mit ſeinem
monotonen, tiefen und claſſiſchen Geſang den
Gott aus der Menſchenbruſt wegſingt! Glaubt
man nicht ihn zu hoͤren, wenn wir die Verſe
leſen:
Ich bin ſo groß als Gott, Er iſt als ich ſo klein:
Er kann nicht uͤber mich, ich unter Ihm nicht ſein.
»Ferner:
Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nun kann leben,
Werd' ich zunicht, er muß vor Noth den Geiſt aufgeben.
»Auch dies:
Daß Gott ſo ſelig iſt und lebet ohn' Verlangen,
Hat er ſowohl von mir, als ich von ihm empfangen.
Und wie einfach wahr findet man das Weſen
der Zeit beſungen, wenn man das Sinngedicht¬
chen lieſt: »Man muß ſich uͤberſchwenken.«
Menſch! wo du deinen Geiſt ſchwingſt uͤber Ort und Zeit,
So kannſt du jeden Blick ſein in der Ewigkeit.
»Beſonders aber dies: »Der Menſch iſt
Ewigkeit.«
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/403>, abgerufen am 24.11.2024.
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