ten. Es schienen zwei Frauenzimmer zu sein, und bald unterschied er Dortchens und Apollönchens Stimme, die mit einander leise sprachen. Sie schienen diesmal nicht zu lachen, sondern angele¬ gentlich etwas zu berathen. Doch bald war ihnen der Ernst zu lang und sie kamen in die Sakristei hereingehuscht, indem Dortchen rief: "Komm', wir wollen den verliebten Ritter besehen!" Sie stell¬ ten sich dicht vor das Grabmal und gafften dem starren Rittersmann neugierig in das dunkle ehr¬ liche Gesicht. "O Gott! ich fürchte mich!" flü¬ sterte Apollönchen, "wir wollen hinausgehen!" - - "Warum denn, Närrchen?" sagte Dortchen laut, "der thut Niemand was zu Leid! Sieh, wie es ein guter Kerl ist!" Sie nahm das erzene Gefäß in die Hand und wog es bedächtig; aber plötzlich schüttelte sie es, so stark sie konnte, auf und nie¬ der, daß das arme todte Herz darin zu hören war und die Kette dazu erklang. Sie athmete heftig, war roth wie eine Rose im Gesicht und ihr schöner Mund lachte und zeigte die weißen Zähne "Sieh die Klappernuß! Höre die Klap¬ pernuß!" rief sie, "da! klappre auch einmal!"
ten. Es ſchienen zwei Frauenzimmer zu ſein, und bald unterſchied er Dortchens und Apolloͤnchens Stimme, die mit einander leiſe ſprachen. Sie ſchienen diesmal nicht zu lachen, ſondern angele¬ gentlich etwas zu berathen. Doch bald war ihnen der Ernſt zu lang und ſie kamen in die Sakriſtei hereingehuſcht, indem Dortchen rief: »Komm', wir wollen den verliebten Ritter beſehen!« Sie ſtell¬ ten ſich dicht vor das Grabmal und gafften dem ſtarren Rittersmann neugierig in das dunkle ehr¬ liche Geſicht. »O Gott! ich fuͤrchte mich!« fluͤ¬ ſterte Apolloͤnchen, »wir wollen hinausgehen!« – – »Warum denn, Naͤrrchen?« ſagte Dortchen laut, »der thut Niemand was zu Leid! Sieh, wie es ein guter Kerl iſt!« Sie nahm das erzene Gefaͤß in die Hand und wog es bedaͤchtig; aber ploͤtzlich ſchuͤttelte ſie es, ſo ſtark ſie konnte, auf und nie¬ der, daß das arme todte Herz darin zu hoͤren war und die Kette dazu erklang. Sie athmete heftig, war roth wie eine Roſe im Geſicht und ihr ſchoͤner Mund lachte und zeigte die weißen Zaͤhne »Sieh die Klappernuß! Hoͤre die Klap¬ pernuß!« rief ſie, »da! klappre auch einmal!«
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0440"n="430"/>
ten. Es ſchienen zwei Frauenzimmer zu ſein, und<lb/>
bald unterſchied er Dortchens und Apolloͤnchens<lb/>
Stimme, die mit einander leiſe ſprachen. Sie<lb/>ſchienen diesmal nicht zu lachen, ſondern angele¬<lb/>
gentlich etwas zu berathen. Doch bald war ihnen<lb/>
der Ernſt zu lang und ſie kamen in die Sakriſtei<lb/>
hereingehuſcht, indem Dortchen rief: »Komm', wir<lb/>
wollen den verliebten Ritter beſehen!« Sie ſtell¬<lb/>
ten ſich dicht vor das Grabmal und gafften dem<lb/>ſtarren Rittersmann neugierig in das dunkle ehr¬<lb/>
liche Geſicht. »O Gott! ich fuͤrchte mich!« fluͤ¬<lb/>ſterte Apolloͤnchen, »wir wollen hinausgehen!« ––<lb/>
»Warum denn, Naͤrrchen?« ſagte Dortchen laut,<lb/>
»der thut Niemand was zu Leid! Sieh, wie es<lb/>
ein guter Kerl iſt!« Sie nahm das erzene Gefaͤß<lb/>
in die Hand und wog es bedaͤchtig; aber ploͤtzlich<lb/>ſchuͤttelte ſie es, ſo ſtark ſie konnte, auf und nie¬<lb/>
der, daß das arme todte Herz darin zu hoͤren<lb/>
war und die Kette dazu erklang. Sie athmete<lb/>
heftig, war roth wie eine Roſe im Geſicht und<lb/>
ihr ſchoͤner Mund lachte und zeigte die weißen<lb/>
Zaͤhne »Sieh die Klappernuß! Hoͤre die Klap¬<lb/>
pernuß!« rief ſie, »da! klappre auch einmal!«<lb/></p></div></body></text></TEI>
[430/0440]
ten. Es ſchienen zwei Frauenzimmer zu ſein, und
bald unterſchied er Dortchens und Apolloͤnchens
Stimme, die mit einander leiſe ſprachen. Sie
ſchienen diesmal nicht zu lachen, ſondern angele¬
gentlich etwas zu berathen. Doch bald war ihnen
der Ernſt zu lang und ſie kamen in die Sakriſtei
hereingehuſcht, indem Dortchen rief: »Komm', wir
wollen den verliebten Ritter beſehen!« Sie ſtell¬
ten ſich dicht vor das Grabmal und gafften dem
ſtarren Rittersmann neugierig in das dunkle ehr¬
liche Geſicht. »O Gott! ich fuͤrchte mich!« fluͤ¬
ſterte Apolloͤnchen, »wir wollen hinausgehen!« – –
»Warum denn, Naͤrrchen?« ſagte Dortchen laut,
»der thut Niemand was zu Leid! Sieh, wie es
ein guter Kerl iſt!« Sie nahm das erzene Gefaͤß
in die Hand und wog es bedaͤchtig; aber ploͤtzlich
ſchuͤttelte ſie es, ſo ſtark ſie konnte, auf und nie¬
der, daß das arme todte Herz darin zu hoͤren
war und die Kette dazu erklang. Sie athmete
heftig, war roth wie eine Roſe im Geſicht und
ihr ſchoͤner Mund lachte und zeigte die weißen
Zaͤhne »Sieh die Klappernuß! Hoͤre die Klap¬
pernuß!« rief ſie, »da! klappre auch einmal!«
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/440>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.