Einzige, worin sie ein herzliches Einverständniß mit ihm fanden, war die Klage um die Verstor¬ benen.
Heinrich trieb sich eine Zeitlang bei ihnen um¬ her und gab sich meistens mit ihren Kindern ab, da ihm dieses unschuldige Zerstreuung war, welche auf Augenblicke wenigstens seinen harten Zustand in ein linderes Weh verwandelte.
Eines Abends streifte er in der Gegend um¬ her und kam an den breiten Fluß. Ein großer siebzigjähriger Mann, den er noch nie gesehen, in einfacher aber sauberer Kleidung, beschäftigte sich am Ufer mit Fischerzeug und sang ein son¬ derbares Lied dazu vom Recht und vom Glück, von dem man nicht wußte, wie es in die Gegend gekommen. Er sang mit frischer Stimme, indem er seine glänzenden Netze zusammenraffte:
Recht im Glücke! gold'nes Loos, Land und Leute machst du groß! Glück im Rechte! fröhlich Blut, Wer dich hat, der treibt es gut!
Einzige, worin ſie ein herzliches Einverſtaͤndniß mit ihm fanden, war die Klage um die Verſtor¬ benen.
Heinrich trieb ſich eine Zeitlang bei ihnen um¬ her und gab ſich meiſtens mit ihren Kindern ab, da ihm dieſes unſchuldige Zerſtreuung war, welche auf Augenblicke wenigſtens ſeinen harten Zuſtand in ein linderes Weh verwandelte.
Eines Abends ſtreifte er in der Gegend um¬ her und kam an den breiten Fluß. Ein großer ſiebzigjaͤhriger Mann, den er noch nie geſehen, in einfacher aber ſauberer Kleidung, beſchaͤftigte ſich am Ufer mit Fiſcherzeug und ſang ein ſon¬ derbares Lied dazu vom Recht und vom Gluͤck, von dem man nicht wußte, wie es in die Gegend gekommen. Er ſang mit friſcher Stimme, indem er ſeine glaͤnzenden Netze zuſammenraffte:
Recht im Gluͤcke! gold'nes Loos, Land und Leute machſt du groß! Gluͤck im Rechte! froͤhlich Blut, Wer dich hat, der treibt es gut!
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Einzige, worin ſie ein herzliches Einverſtaͤndniß
mit ihm fanden, war die Klage um die Verſtor¬
benen.
Heinrich trieb ſich eine Zeitlang bei ihnen um¬
her und gab ſich meiſtens mit ihren Kindern ab,
da ihm dieſes unſchuldige Zerſtreuung war, welche
auf Augenblicke wenigſtens ſeinen harten Zuſtand
in ein linderes Weh verwandelte.
Eines Abends ſtreifte er in der Gegend um¬
her und kam an den breiten Fluß. Ein großer
ſiebzigjaͤhriger Mann, den er noch nie geſehen,
in einfacher aber ſauberer Kleidung, beſchaͤftigte
ſich am Ufer mit Fiſcherzeug und ſang ein ſon¬
derbares Lied dazu vom Recht und vom Gluͤck,
von dem man nicht wußte, wie es in die Gegend
gekommen. Er ſang mit friſcher Stimme, indem
er ſeine glaͤnzenden Netze zuſammenraffte:
Recht im Gluͤcke! gold'nes Loos,
Land und Leute machſt du groß!
Gluͤck im Rechte! froͤhlich Blut,
Wer dich hat, der treibt es gut!
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/488>, abgerufen am 04.12.2024.
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