Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.würde, sagen solle, er habe sich recht lustig bei ihr Allein wie erschrack er, als er zur bestimmten "Was willst du, Priester?" rief sie herunter, und Das Gelächter und die Verwünschungen der Von diesem Gedanken beherrscht lenkte er seine würde, ſagen ſolle, er habe ſich recht luſtig bei ihr Allein wie erſchrack er, als er zur beſtimmten „Was willſt du, Prieſter?“ rief ſie herunter, und Das Gelächter und die Verwünſchungen der Von dieſem Gedanken beherrſcht lenkte er ſeine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0107" n="93"/> würde, ſagen ſolle, er habe ſich recht luſtig bei ihr<lb/> gemacht.</p><lb/> <p>Allein wie erſchrack er, als er zur beſtimmten<lb/> Stunde wieder erſcheinend, die Thüre feſt verſchloſſen<lb/> fand, indeſſen das Frauenzimmer friſch geſchmückt<lb/> und ſtattlich aus dem Fenſter ſah.</p><lb/> <p>„Was willſt du, Prieſter?“ rief ſie herunter, und<lb/> erſtaunt erwiederte er halblaut: „Was ſoll das heißen,<lb/> mein Lämmchen? Thu' von dir dieſen Sündenflitter<lb/> und laß mich ein, daß ich dich zu deiner Buße vor¬<lb/> bereite!“ „Du willſt zu mir herein, ſchlimmer<lb/> Mönch?“ ſagte ſie lächelnd, als ob ſie ihn mißver¬<lb/> ſtanden hätte, „haſt du Geld oder Geldeswerth bei<lb/> dir?“ Mit offenem Munde ſtarrte Vitalis empor;<lb/> dann rüttelte er verzweifelt an der Thüre; aber ſie<lb/> war und blieb verſchloſſen und vom Fenſter war das<lb/> Weib auch verſchwunden.</p><lb/> <p>Das Gelächter und die Verwünſchungen der<lb/> Vorübergehenden trieben den ſcheinbar verdorbenen<lb/> und ſchamloſen Mönch endlich von dem verrufenen<lb/> Hauſe hinweg; allein ſein einziges Sinnen und<lb/> Trachten ging dahin, wieder in das nämliche Haus<lb/> zu gelangen und den Böſen, der in dem Weibe ſteckte,<lb/> auf jede Weiſe zu überwinden.</p><lb/> <p>Von dieſem Gedanken beherrſcht lenkte er ſeine<lb/> Schritte in eine Kirche, wo er, ſtatt zu beten, über<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [93/0107]
würde, ſagen ſolle, er habe ſich recht luſtig bei ihr
gemacht.
Allein wie erſchrack er, als er zur beſtimmten
Stunde wieder erſcheinend, die Thüre feſt verſchloſſen
fand, indeſſen das Frauenzimmer friſch geſchmückt
und ſtattlich aus dem Fenſter ſah.
„Was willſt du, Prieſter?“ rief ſie herunter, und
erſtaunt erwiederte er halblaut: „Was ſoll das heißen,
mein Lämmchen? Thu' von dir dieſen Sündenflitter
und laß mich ein, daß ich dich zu deiner Buße vor¬
bereite!“ „Du willſt zu mir herein, ſchlimmer
Mönch?“ ſagte ſie lächelnd, als ob ſie ihn mißver¬
ſtanden hätte, „haſt du Geld oder Geldeswerth bei
dir?“ Mit offenem Munde ſtarrte Vitalis empor;
dann rüttelte er verzweifelt an der Thüre; aber ſie
war und blieb verſchloſſen und vom Fenſter war das
Weib auch verſchwunden.
Das Gelächter und die Verwünſchungen der
Vorübergehenden trieben den ſcheinbar verdorbenen
und ſchamloſen Mönch endlich von dem verrufenen
Hauſe hinweg; allein ſein einziges Sinnen und
Trachten ging dahin, wieder in das nämliche Haus
zu gelangen und den Böſen, der in dem Weibe ſteckte,
auf jede Weiſe zu überwinden.
Von dieſem Gedanken beherrſcht lenkte er ſeine
Schritte in eine Kirche, wo er, ſtatt zu beten, über
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