es ihm, als ob er nun vorerst von langer Mühsal ausruhen möchte, und siehe da, mein Vitalis neigte sein Haupt zur Seite, nach Jolen hin, und schlief ohne Säumniß ein und bis die Sonne aufging.
Als er erwachte, war er allein und Niemand weder zu sehen noch zu hören. Heftig sprang er auf und erschrack über das glänzende Gewand in dem er steckte; hastig stürmte er durch das Haus von oben bis unten, seine Mönchskutte zu suchen; aber nicht die kleinste Spur war davon zu finden, bis er in einem kleinen Höfchen Kohlen und Asche sah, auf welchen ein halbverbrannter Aermel seines Priester¬ gewandes lag, so daß er mit Recht vermuthete, das¬ selbe sei hier feierlich verbrannt worden.
Er steckte nun vorsichtig den Kopf bald durch diese, bald durch jene Oeffnung auf die Straße und zog sich jedesmal zurück, wenn Jemand nahte. End¬ lich warf er sich auf das seidene Ruhebett, so bequem und läßig, als ob er nie auf einem harten Mönchs¬ lager geruht hätte; dann raffte er sich zusammen, ordnete das Gewand und schlich aufgeregt an die Hausthüre. Dort zögerte er noch ein Weilchen; plötz¬ lich aber riß er sie weit auf und ging mit Glanz und Würde in's Freie. Niemand erkannte ihn, Alles hielt ihn für einen großen Herrn aus der Ferne, welcher sich hier zu Alexandria einige gute Tage mache.
es ihm, als ob er nun vorerſt von langer Mühſal ausruhen möchte, und ſiehe da, mein Vitalis neigte ſein Haupt zur Seite, nach Jolen hin, und ſchlief ohne Säumniß ein und bis die Sonne aufging.
Als er erwachte, war er allein und Niemand weder zu ſehen noch zu hören. Heftig ſprang er auf und erſchrack über das glänzende Gewand in dem er ſteckte; haſtig ſtürmte er durch das Haus von oben bis unten, ſeine Mönchskutte zu ſuchen; aber nicht die kleinſte Spur war davon zu finden, bis er in einem kleinen Höfchen Kohlen und Aſche ſah, auf welchen ein halbverbrannter Aermel ſeines Prieſter¬ gewandes lag, ſo daß er mit Recht vermuthete, das¬ ſelbe ſei hier feierlich verbrannt worden.
Er ſteckte nun vorſichtig den Kopf bald durch dieſe, bald durch jene Oeffnung auf die Straße und zog ſich jedesmal zurück, wenn Jemand nahte. End¬ lich warf er ſich auf das ſeidene Ruhebett, ſo bequem und läßig, als ob er nie auf einem harten Mönchs¬ lager geruht hätte; dann raffte er ſich zuſammen, ordnete das Gewand und ſchlich aufgeregt an die Hausthüre. Dort zögerte er noch ein Weilchen; plötz¬ lich aber riß er ſie weit auf und ging mit Glanz und Würde in's Freie. Niemand erkannte ihn, Alles hielt ihn für einen großen Herrn aus der Ferne, welcher ſich hier zu Alexandria einige gute Tage mache.
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es ihm, als ob er nun vorerſt von langer Mühſal
ausruhen möchte, und ſiehe da, mein Vitalis neigte
ſein Haupt zur Seite, nach Jolen hin, und ſchlief
ohne Säumniß ein und bis die Sonne aufging.
Als er erwachte, war er allein und Niemand
weder zu ſehen noch zu hören. Heftig ſprang er auf
und erſchrack über das glänzende Gewand in dem er
ſteckte; haſtig ſtürmte er durch das Haus von oben
bis unten, ſeine Mönchskutte zu ſuchen; aber nicht
die kleinſte Spur war davon zu finden, bis er in
einem kleinen Höfchen Kohlen und Aſche ſah, auf
welchen ein halbverbrannter Aermel ſeines Prieſter¬
gewandes lag, ſo daß er mit Recht vermuthete, das¬
ſelbe ſei hier feierlich verbrannt worden.
Er ſteckte nun vorſichtig den Kopf bald durch
dieſe, bald durch jene Oeffnung auf die Straße und
zog ſich jedesmal zurück, wenn Jemand nahte. End¬
lich warf er ſich auf das ſeidene Ruhebett, ſo bequem
und läßig, als ob er nie auf einem harten Mönchs¬
lager geruht hätte; dann raffte er ſich zuſammen,
ordnete das Gewand und ſchlich aufgeregt an die
Hausthüre. Dort zögerte er noch ein Weilchen; plötz¬
lich aber riß er ſie weit auf und ging mit Glanz und
Würde in's Freie. Niemand erkannte ihn, Alles hielt
ihn für einen großen Herrn aus der Ferne, welcher
ſich hier zu Alexandria einige gute Tage mache.
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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/131>, abgerufen am 16.07.2024.
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