ärgsten Schandthat anzuklagen, wie er heuchlerischer Weise in ihr Haus gekommen sei, um sich erst mit Bekehrungsversuchen aufzudrängen und, nachdem diese fehlgeschlagen, sie gewaltthätig ihrer Ehre zu berau¬ ben. Da ihr ganzes Gefolge die Wahrheit ihrer Aus¬ sage bezeugte, ließ der entrüstete Aquilinus sofort das Kloster mit Kriegsvolk besetzen und den Abt sammt den Mönchen vor sich bringen, um sie zu richten.
"Ist das euer Beginnen, ihr niederträchtigen Heuchler?" redete er sie mit strengem Tone an, "sticht euch schon dermaßen der Hafer, daß ihr, kaum geduldet, die Ehre unserer Frauen beleidigt und herum schleicht, wie die reißenden Wölfe? Hat euer Meister, den ich mehr achte, als ihr Lügner! euch dergleichen gelehrt oder geboten? Mit Nichten! Ihr seid ein Haufen und eine Bande Elender, die sich öffentlich einen Namen geben, um im Stillen dem Verderben zu fröhnen! Vertheidigt euch, wenn ihr könnt, gegen die Anklage!"
Die schändliche Wittwe wiederholte jetzt, von heuch¬ lerischen Seufzern und Thränen unterbrochen, ihre lügenhafte Erzählung. Als sie geendigt und sich sitt¬ sam wieder in ihre Schleier hüllte, sahen die Mönche voll Furcht einander an und auf ihren Abt, an dessen Tugend sie nicht zweifelten, und sie erhoben gemein¬ sam ihre Stimmen, um die falsche Anklage abzuwehren.
ärgſten Schandthat anzuklagen, wie er heuchleriſcher Weiſe in ihr Haus gekommen ſei, um ſich erſt mit Bekehrungsverſuchen aufzudrängen und, nachdem dieſe fehlgeſchlagen, ſie gewaltthätig ihrer Ehre zu berau¬ ben. Da ihr ganzes Gefolge die Wahrheit ihrer Aus¬ ſage bezeugte, ließ der entrüſtete Aquilinus ſofort das Kloſter mit Kriegsvolk beſetzen und den Abt ſammt den Mönchen vor ſich bringen, um ſie zu richten.
„Iſt das euer Beginnen, ihr niederträchtigen Heuchler?“ redete er ſie mit ſtrengem Tone an, „ſticht euch ſchon dermaßen der Hafer, daß ihr, kaum geduldet, die Ehre unſerer Frauen beleidigt und herum ſchleicht, wie die reißenden Wölfe? Hat euer Meiſter, den ich mehr achte, als ihr Lügner! euch dergleichen gelehrt oder geboten? Mit Nichten! Ihr ſeid ein Haufen und eine Bande Elender, die ſich öffentlich einen Namen geben, um im Stillen dem Verderben zu fröhnen! Vertheidigt euch, wenn ihr könnt, gegen die Anklage!“
Die ſchändliche Wittwe wiederholte jetzt, von heuch¬ leriſchen Seufzern und Thränen unterbrochen, ihre lügenhafte Erzählung. Als ſie geendigt und ſich ſitt¬ ſam wieder in ihre Schleier hüllte, ſahen die Mönche voll Furcht einander an und auf ihren Abt, an deſſen Tugend ſie nicht zweifelten, und ſie erhoben gemein¬ ſam ihre Stimmen, um die falſche Anklage abzuwehren.
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ärgſten Schandthat anzuklagen, wie er heuchleriſcher
Weiſe in ihr Haus gekommen ſei, um ſich erſt mit
Bekehrungsverſuchen aufzudrängen und, nachdem dieſe
fehlgeſchlagen, ſie gewaltthätig ihrer Ehre zu berau¬
ben. Da ihr ganzes Gefolge die Wahrheit ihrer Aus¬
ſage bezeugte, ließ der entrüſtete Aquilinus ſofort das
Kloſter mit Kriegsvolk beſetzen und den Abt ſammt
den Mönchen vor ſich bringen, um ſie zu richten.
„Iſt das euer Beginnen, ihr niederträchtigen
Heuchler?“ redete er ſie mit ſtrengem Tone an,
„ſticht euch ſchon dermaßen der Hafer, daß ihr, kaum
geduldet, die Ehre unſerer Frauen beleidigt und herum
ſchleicht, wie die reißenden Wölfe? Hat euer Meiſter,
den ich mehr achte, als ihr Lügner! euch dergleichen
gelehrt oder geboten? Mit Nichten! Ihr ſeid ein
Haufen und eine Bande Elender, die ſich öffentlich
einen Namen geben, um im Stillen dem Verderben
zu fröhnen! Vertheidigt euch, wenn ihr könnt, gegen
die Anklage!“
Die ſchändliche Wittwe wiederholte jetzt, von heuch¬
leriſchen Seufzern und Thränen unterbrochen, ihre
lügenhafte Erzählung. Als ſie geendigt und ſich ſitt¬
ſam wieder in ihre Schleier hüllte, ſahen die Mönche
voll Furcht einander an und auf ihren Abt, an deſſen
Tugend ſie nicht zweifelten, und ſie erhoben gemein¬
ſam ihre Stimmen, um die falſche Anklage abzuwehren.
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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/33>, abgerufen am 16.07.2024.
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