Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.schönes junges Weib zum Abte hat, des unseligsten Doch als Aquilinus sie aufforderte, zu reden, Sogleich erkannte er sie und war überzeugt, daß ſchönes junges Weib zum Abte hat, des unſeligſten Doch als Aquilinus ſie aufforderte, zu reden, Sogleich erkannte er ſie und war überzeugt, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0035" n="21"/> ſchönes junges Weib zum Abte hat, des unſeligſten<lb/> Verdachtes und Geſpöttes der böswilligen Heidenwelt<lb/> gewärtig ſein mußte. Dieſe Furcht und Ungewißheit<lb/> hätte ſie nicht empfunden, wenn ſie, nach Mönchs¬<lb/> begriffen, noch reinen Herzens geweſen wäre; allein<lb/> allbereits ſeit der letzten Nacht war der Zwieſpalt in<lb/> ihr Gemüth eingebrochen und ſelbſt die unglückliche<lb/> Begegnung mit dem ſchlimmen Weibe hatte ſie noch<lb/> mehr verwirrt, ſo daß ſie nunmehr den Muth nicht<lb/> fand, entſchloſſen aufzutreten und ein Wunder herbei¬<lb/> zuführen.</p><lb/> <p>Doch als Aquilinus ſie aufforderte, zu reden,<lb/> erinnerte ſie ſich ſeiner Neigung zu ihr, und indem<lb/> ſie Vertrauen zu ihm faßte, verfiel ſie auf eine Aus¬<lb/> flucht. Mit leiſem und beſcheidenem Tone ſagte ſie,<lb/> ſie ſei nicht ſchuldig und wolle es dem Konſul be¬<lb/> weiſen, wenn ſie allein mit ihm ſprechen dürfe. Der<lb/> Klang ihrer Stimme rührte den Aquilinus, ohne<lb/> daß er wußte warum, und er gab zu, daß ſie unter<lb/> vier Augen mit ihm reden möge. Er ließ ſie des¬<lb/> halb in das Innere ſeines Hauſes führen und ver¬<lb/> ſchloß ſich dort allein mit ihr in ein Zimmer. Dort<lb/> ſchlug Eugenia ihre Augen zu ihm auf, warf die<lb/> Kapuze zurück und ſagte: „Ich bin Eugenia, die du<lb/> einſt zur Frau begehrt haſt!“</p><lb/> <p>Sogleich erkannte er ſie und war überzeugt, daß<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0035]
ſchönes junges Weib zum Abte hat, des unſeligſten
Verdachtes und Geſpöttes der böswilligen Heidenwelt
gewärtig ſein mußte. Dieſe Furcht und Ungewißheit
hätte ſie nicht empfunden, wenn ſie, nach Mönchs¬
begriffen, noch reinen Herzens geweſen wäre; allein
allbereits ſeit der letzten Nacht war der Zwieſpalt in
ihr Gemüth eingebrochen und ſelbſt die unglückliche
Begegnung mit dem ſchlimmen Weibe hatte ſie noch
mehr verwirrt, ſo daß ſie nunmehr den Muth nicht
fand, entſchloſſen aufzutreten und ein Wunder herbei¬
zuführen.
Doch als Aquilinus ſie aufforderte, zu reden,
erinnerte ſie ſich ſeiner Neigung zu ihr, und indem
ſie Vertrauen zu ihm faßte, verfiel ſie auf eine Aus¬
flucht. Mit leiſem und beſcheidenem Tone ſagte ſie,
ſie ſei nicht ſchuldig und wolle es dem Konſul be¬
weiſen, wenn ſie allein mit ihm ſprechen dürfe. Der
Klang ihrer Stimme rührte den Aquilinus, ohne
daß er wußte warum, und er gab zu, daß ſie unter
vier Augen mit ihm reden möge. Er ließ ſie des¬
halb in das Innere ſeines Hauſes führen und ver¬
ſchloß ſich dort allein mit ihr in ein Zimmer. Dort
ſchlug Eugenia ihre Augen zu ihm auf, warf die
Kapuze zurück und ſagte: „Ich bin Eugenia, die du
einſt zur Frau begehrt haſt!“
Sogleich erkannte er ſie und war überzeugt, daß
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