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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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So hatte er nicht die besten Tage; die Mutter
schmollte mit ihm und aus Aerger, um sich zu zer¬
streuen, besserte sie das verfallende Dach des Schlo߬
thurmes aus, so daß es dem guten Zendelwald angst
und bange ward, als er sie oben herumklettern sah.
Unwirsch warf sie die zerbrochenen Ziegel herunter
und hätte fast einen fremden Reitersmann todt ge¬
schmissen, welcher eben in das Thor zog, um sich ein
Nachtlager auszubitten.

Es gelang diesem aber, die Freundlichkeit der her¬
ben Dame zu wecken, als er beim Abendbrod viel
gute Dinge erzählte und besonders, wie der Kaiser
so eben auf der großen Burg der schönen Wittwe
weile, wo ein Fest das andere dränge und die won¬
nige Frau vom Kaiser und seinen Herren unablässig
bestürmt werde, unter diesen sich einen Gemahl zu
wählen. Sie habe aber den Ausweg ergriffen, ein
großes Turnier auszuschreiben und dem Sieger über
Alle ihre Hand zu reichen, fest vertrauend, daß ihre
Beschützerin, die göttliche Jungfrau, sich in's Mittel
legen und dem Rechten, der ihr gebühre, den Arm
zum Siege lenken werde.

"Das wäre nun eine Unternehmung für Euch,"
schloß der Mann, sich an Zendelwald wendend, "ein
so hübscher junger Ritter sollte sich recht daran hin
machen, das Beste zu erwerben, was es nach irdischen

So hatte er nicht die beſten Tage; die Mutter
ſchmollte mit ihm und aus Aerger, um ſich zu zer¬
ſtreuen, beſſerte ſie das verfallende Dach des Schlo߬
thurmes aus, ſo daß es dem guten Zendelwald angſt
und bange ward, als er ſie oben herumklettern ſah.
Unwirſch warf ſie die zerbrochenen Ziegel herunter
und hätte faſt einen fremden Reitersmann todt ge¬
ſchmiſſen, welcher eben in das Thor zog, um ſich ein
Nachtlager auszubitten.

Es gelang dieſem aber, die Freundlichkeit der her¬
ben Dame zu wecken, als er beim Abendbrod viel
gute Dinge erzählte und beſonders, wie der Kaiſer
ſo eben auf der großen Burg der ſchönen Wittwe
weile, wo ein Feſt das andere dränge und die won¬
nige Frau vom Kaiſer und ſeinen Herren unabläſſig
beſtürmt werde, unter dieſen ſich einen Gemahl zu
wählen. Sie habe aber den Ausweg ergriffen, ein
großes Turnier auszuſchreiben und dem Sieger über
Alle ihre Hand zu reichen, feſt vertrauend, daß ihre
Beſchützerin, die göttliche Jungfrau, ſich in's Mittel
legen und dem Rechten, der ihr gebühre, den Arm
zum Siege lenken werde.

„Das wäre nun eine Unternehmung für Euch,“
ſchloß der Mann, ſich an Zendelwald wendend, „ein
ſo hübſcher junger Ritter ſollte ſich recht daran hin
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[51/0065] So hatte er nicht die beſten Tage; die Mutter ſchmollte mit ihm und aus Aerger, um ſich zu zer¬ ſtreuen, beſſerte ſie das verfallende Dach des Schlo߬ thurmes aus, ſo daß es dem guten Zendelwald angſt und bange ward, als er ſie oben herumklettern ſah. Unwirſch warf ſie die zerbrochenen Ziegel herunter und hätte faſt einen fremden Reitersmann todt ge¬ ſchmiſſen, welcher eben in das Thor zog, um ſich ein Nachtlager auszubitten. Es gelang dieſem aber, die Freundlichkeit der her¬ ben Dame zu wecken, als er beim Abendbrod viel gute Dinge erzählte und beſonders, wie der Kaiſer ſo eben auf der großen Burg der ſchönen Wittwe weile, wo ein Feſt das andere dränge und die won¬ nige Frau vom Kaiſer und ſeinen Herren unabläſſig beſtürmt werde, unter dieſen ſich einen Gemahl zu wählen. Sie habe aber den Ausweg ergriffen, ein großes Turnier auszuſchreiben und dem Sieger über Alle ihre Hand zu reichen, feſt vertrauend, daß ihre Beſchützerin, die göttliche Jungfrau, ſich in's Mittel legen und dem Rechten, der ihr gebühre, den Arm zum Siege lenken werde. „Das wäre nun eine Unternehmung für Euch,“ ſchloß der Mann, ſich an Zendelwald wendend, „ein ſo hübſcher junger Ritter ſollte ſich recht daran hin machen, das Beſte zu erwerben, was es nach irdiſchen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/65>, abgerufen am 25.11.2024.