einer gewissen natürlichen Zierlichkeit setzten sie einen Fuß um den andern vorwärts und keiner sprach ein Wort, außer wenn er etwa dem Knechte, der die vier stattlichen Pferde an¬ trieb, eine Anweisung gab. So glichen sie ein¬ ander vollkommen in einiger Entfernung, denn sie stellten die ursprüngliche Art dieser Gegend dar, und man hätte sie auf den ersten Blick nur daran unterscheiden können, daß der Eine den Zipfel seiner weißen Kappe nach vorn trug, der Andere aber hinten im Nacken hängen hatte. Aber das wechselte zwischen ihnen ab, indem sie in der entgegengesetzten Richtung pflügten; denn wenn sie oben auf der Höhe zusammentrafen und an einander vorüberkamen, so schlug dem, welcher gegen den frischen Ostwind ging, die Zipfelkappe nach hinten über, während sie bei dem Andern, der den Wind im Rücken hatte, sich nach vorne sträubte. Es gab auch jedesmal einen mittleren Augenblick, wo die schimmernden Mützen aufrecht in der Luft schwankten und wie zwei weiße Flammen gen Himmel züngelten. So pflügten Beide ruhevoll und es war schön anzu¬ sehen in der stillen goldenen Septembergegend,
einer gewiſſen natürlichen Zierlichkeit ſetzten ſie einen Fuß um den andern vorwärts und keiner ſprach ein Wort, außer wenn er etwa dem Knechte, der die vier ſtattlichen Pferde an¬ trieb, eine Anweiſung gab. So glichen ſie ein¬ ander vollkommen in einiger Entfernung, denn ſie ſtellten die urſprüngliche Art dieſer Gegend dar, und man hätte ſie auf den erſten Blick nur daran unterſcheiden können, daß der Eine den Zipfel ſeiner weißen Kappe nach vorn trug, der Andere aber hinten im Nacken hängen hatte. Aber das wechſelte zwiſchen ihnen ab, indem ſie in der entgegengeſetzten Richtung pflügten; denn wenn ſie oben auf der Höhe zuſammentrafen und an einander vorüberkamen, ſo ſchlug dem, welcher gegen den friſchen Oſtwind ging, die Zipfelkappe nach hinten über, während ſie bei dem Andern, der den Wind im Rücken hatte, ſich nach vorne ſträubte. Es gab auch jedesmal einen mittleren Augenblick, wo die ſchimmernden Mützen aufrecht in der Luft ſchwankten und wie zwei weiße Flammen gen Himmel züngelten. So pflügten Beide ruhevoll und es war ſchön anzu¬ ſehen in der ſtillen goldenen Septembergegend,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0223"n="211"/>
einer gewiſſen natürlichen Zierlichkeit ſetzten<lb/>ſie einen Fuß um den andern vorwärts und<lb/>
keiner ſprach ein Wort, außer wenn er etwa<lb/>
dem Knechte, der die vier ſtattlichen Pferde an¬<lb/>
trieb, eine Anweiſung gab. So glichen ſie ein¬<lb/>
ander vollkommen in einiger Entfernung, denn<lb/>ſie ſtellten die urſprüngliche Art dieſer Gegend<lb/>
dar, und man hätte ſie auf den erſten Blick<lb/>
nur daran unterſcheiden können, daß der Eine<lb/>
den Zipfel ſeiner weißen Kappe nach vorn trug,<lb/>
der Andere aber hinten im Nacken hängen hatte.<lb/>
Aber das wechſelte zwiſchen ihnen ab, indem ſie<lb/>
in der entgegengeſetzten Richtung pflügten; denn<lb/>
wenn ſie oben auf der Höhe zuſammentrafen<lb/>
und an einander vorüberkamen, ſo ſchlug dem,<lb/>
welcher gegen den friſchen Oſtwind ging, die<lb/>
Zipfelkappe nach hinten über, während ſie bei<lb/>
dem Andern, der den Wind im Rücken hatte,<lb/>ſich nach vorne ſträubte. Es gab auch jedesmal<lb/>
einen mittleren Augenblick, wo die ſchimmernden<lb/>
Mützen aufrecht in der Luft ſchwankten und wie<lb/>
zwei weiße Flammen gen Himmel züngelten. So<lb/>
pflügten Beide ruhevoll und es war ſchön anzu¬<lb/>ſehen in der ſtillen goldenen Septembergegend,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[211/0223]
einer gewiſſen natürlichen Zierlichkeit ſetzten
ſie einen Fuß um den andern vorwärts und
keiner ſprach ein Wort, außer wenn er etwa
dem Knechte, der die vier ſtattlichen Pferde an¬
trieb, eine Anweiſung gab. So glichen ſie ein¬
ander vollkommen in einiger Entfernung, denn
ſie ſtellten die urſprüngliche Art dieſer Gegend
dar, und man hätte ſie auf den erſten Blick
nur daran unterſcheiden können, daß der Eine
den Zipfel ſeiner weißen Kappe nach vorn trug,
der Andere aber hinten im Nacken hängen hatte.
Aber das wechſelte zwiſchen ihnen ab, indem ſie
in der entgegengeſetzten Richtung pflügten; denn
wenn ſie oben auf der Höhe zuſammentrafen
und an einander vorüberkamen, ſo ſchlug dem,
welcher gegen den friſchen Oſtwind ging, die
Zipfelkappe nach hinten über, während ſie bei
dem Andern, der den Wind im Rücken hatte,
ſich nach vorne ſträubte. Es gab auch jedesmal
einen mittleren Augenblick, wo die ſchimmernden
Mützen aufrecht in der Luft ſchwankten und wie
zwei weiße Flammen gen Himmel züngelten. So
pflügten Beide ruhevoll und es war ſchön anzu¬
ſehen in der ſtillen goldenen Septembergegend,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/223>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.