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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Eigensinn, mit welchem Marti auf dem Dasein
des unsinnigsten und muthwilligsten Schnörkels
beharrte. Beide aber trafen zusammen in der
Überzeugung, daß der Andere, den Anderen so
frech und plump übervortheilend, ihn nothwendig
für einen verächtlichen Dummkopf halten müsse,
da man dergleichen etwa einem armen haltlosen
Teufel, nicht aber einem aufrechten, klugen und
wehrhaften Manne gegenüber sich erlauben könne,
und Jeder sah sich in seiner wunderlichen Ehre
gekränkt und gab sich rückhaltlos der Leidenschaft
des Streites und dem daraus erfolgenden Verfalle
hin und ihr Leben glich fortan der träumerischen
Qual zweier Verdammten, welche auf einem schma¬
len Brette einen dunkeln Strom hinabtreibend sich
befehden, in die Luft hauen und sich selber an¬
packen und vernichten, in der Meinung, sie hät¬
ten den Feind gefaßt. Da sie eine faule Sache
hatten, so geriethen beide in die allerschlimmsten
Hände von Tausendkünstlern, welche ihre ver¬
dorbene Phantasie aufbliesen zu ungeheuren Bla¬
sen, die mit den nichtsnutzigsten Dingen ange¬
füllt wurden. Vorzüglich waren es die Speku¬
lanten aus der Stadt Seldwyla, welchen dieser

Eigenſinn, mit welchem Marti auf dem Daſein
des unſinnigſten und muthwilligſten Schnörkels
beharrte. Beide aber trafen zuſammen in der
Überzeugung, daß der Andere, den Anderen ſo
frech und plump übervortheilend, ihn nothwendig
für einen verächtlichen Dummkopf halten müſſe,
da man dergleichen etwa einem armen haltloſen
Teufel, nicht aber einem aufrechten, klugen und
wehrhaften Manne gegenüber ſich erlauben könne,
und Jeder ſah ſich in ſeiner wunderlichen Ehre
gekränkt und gab ſich rückhaltlos der Leidenſchaft
des Streites und dem daraus erfolgenden Verfalle
hin und ihr Leben glich fortan der träumeriſchen
Qual zweier Verdammten, welche auf einem ſchma¬
len Brette einen dunkeln Strom hinabtreibend ſich
befehden, in die Luft hauen und ſich ſelber an¬
packen und vernichten, in der Meinung, ſie hät¬
ten den Feind gefaßt. Da ſie eine faule Sache
hatten, ſo geriethen beide in die allerſchlimmſten
Hände von Tauſendkünſtlern, welche ihre ver¬
dorbene Phantaſie aufblieſen zu ungeheuren Bla¬
ſen, die mit den nichtsnutzigſten Dingen ange¬
füllt wurden. Vorzüglich waren es die Speku¬
lanten aus der Stadt Seldwyla, welchen dieſer

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[234/0246] Eigenſinn, mit welchem Marti auf dem Daſein des unſinnigſten und muthwilligſten Schnörkels beharrte. Beide aber trafen zuſammen in der Überzeugung, daß der Andere, den Anderen ſo frech und plump übervortheilend, ihn nothwendig für einen verächtlichen Dummkopf halten müſſe, da man dergleichen etwa einem armen haltloſen Teufel, nicht aber einem aufrechten, klugen und wehrhaften Manne gegenüber ſich erlauben könne, und Jeder ſah ſich in ſeiner wunderlichen Ehre gekränkt und gab ſich rückhaltlos der Leidenſchaft des Streites und dem daraus erfolgenden Verfalle hin und ihr Leben glich fortan der träumeriſchen Qual zweier Verdammten, welche auf einem ſchma¬ len Brette einen dunkeln Strom hinabtreibend ſich befehden, in die Luft hauen und ſich ſelber an¬ packen und vernichten, in der Meinung, ſie hät¬ ten den Feind gefaßt. Da ſie eine faule Sache hatten, ſo geriethen beide in die allerſchlimmſten Hände von Tauſendkünſtlern, welche ihre ver¬ dorbene Phantaſie aufblieſen zu ungeheuren Bla¬ ſen, die mit den nichtsnutzigſten Dingen ange¬ füllt wurden. Vorzüglich waren es die Speku¬ lanten aus der Stadt Seldwyla, welchen dieſer

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/246>, abgerufen am 21.11.2024.