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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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sie war. Bisweilen machten sich die Seldwyler
den Spaß, beide Bauern, ohne ihr Wissen, am
gleichen Loose Theil nehmen zu lassen, so daß
beide die Hoffnung auf Unterdrückung und Ver¬
nichtung des Andern auf ein und dasselbe Loos
setzten. Sie brachten die Hälfte ihrer Zeit in
der Stadt zu, wo jeder in einer Spelunke sein
Hauptquartier hatte, sich den Kopf aufblasen
und zu den lächerlichsten Ausgaben und einem
elenden und ungeschickten Schlemmen verleiten
ließ, bei welchem ihm heimlich doch selber das
Herz blutete, also daß Beide, welche eigentlich
nur in diesem Hader lebten, um für keine Dumm¬
köpfe zu gelten, nun solche von der besten Sorte
darstellten und von Jedermann dafür angesehen
wurden. Die andere Hälfte der Zeit lagen sie
verdrossen zu Hause oder gingen ihrer Arbeit
nach, wobei sie dann durch ein tolles böses Über¬
hasten und Antreiben das Versäumte einzuholen
suchten und damit jeden ordentlichen und zuver¬
lässigen Arbeiter verscheuchten. So ging es ge¬
waltig rückwärts mit ihnen und ehe zehn Jahre
vorüber, steckten sie Beide von Grund aus in
Schulden und standen wie die Störche auf einem

ſie war. Bisweilen machten ſich die Seldwyler
den Spaß, beide Bauern, ohne ihr Wiſſen, am
gleichen Looſe Theil nehmen zu laſſen, ſo daß
beide die Hoffnung auf Unterdrückung und Ver¬
nichtung des Andern auf ein und daſſelbe Loos
ſetzten. Sie brachten die Hälfte ihrer Zeit in
der Stadt zu, wo jeder in einer Spelunke ſein
Hauptquartier hatte, ſich den Kopf aufblaſen
und zu den lächerlichſten Ausgaben und einem
elenden und ungeſchickten Schlemmen verleiten
ließ, bei welchem ihm heimlich doch ſelber das
Herz blutete, alſo daß Beide, welche eigentlich
nur in dieſem Hader lebten, um für keine Dumm¬
köpfe zu gelten, nun ſolche von der beſten Sorte
darſtellten und von Jedermann dafür angeſehen
wurden. Die andere Hälfte der Zeit lagen ſie
verdroſſen zu Hauſe oder gingen ihrer Arbeit
nach, wobei ſie dann durch ein tolles böſes Über¬
haſten und Antreiben das Verſäumte einzuholen
ſuchten und damit jeden ordentlichen und zuver¬
läſſigen Arbeiter verſcheuchten. So ging es ge¬
waltig rückwärts mit ihnen und ehe zehn Jahre
vorüber, ſteckten ſie Beide von Grund aus in
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[236/0248] ſie war. Bisweilen machten ſich die Seldwyler den Spaß, beide Bauern, ohne ihr Wiſſen, am gleichen Looſe Theil nehmen zu laſſen, ſo daß beide die Hoffnung auf Unterdrückung und Ver¬ nichtung des Andern auf ein und daſſelbe Loos ſetzten. Sie brachten die Hälfte ihrer Zeit in der Stadt zu, wo jeder in einer Spelunke ſein Hauptquartier hatte, ſich den Kopf aufblaſen und zu den lächerlichſten Ausgaben und einem elenden und ungeſchickten Schlemmen verleiten ließ, bei welchem ihm heimlich doch ſelber das Herz blutete, alſo daß Beide, welche eigentlich nur in dieſem Hader lebten, um für keine Dumm¬ köpfe zu gelten, nun ſolche von der beſten Sorte darſtellten und von Jedermann dafür angeſehen wurden. Die andere Hälfte der Zeit lagen ſie verdroſſen zu Hauſe oder gingen ihrer Arbeit nach, wobei ſie dann durch ein tolles böſes Über¬ haſten und Antreiben das Verſäumte einzuholen ſuchten und damit jeden ordentlichen und zuver¬ läſſigen Arbeiter verſcheuchten. So ging es ge¬ waltig rückwärts mit ihnen und ehe zehn Jahre vorüber, ſteckten ſie Beide von Grund aus in Schulden und ſtanden wie die Störche auf einem

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/248>, abgerufen am 24.11.2024.