Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

und erstaunt, starrte unwillkürlich mit lachendem
Munde auf die Augen, gleich einem Hungrigen,
der ein süßes Weizenbrod erblickt, und rief:
"Bei Gott, Vreeli! wie schön bist Du!" Vren¬
chen lachte ihn nur noch mehr an und hauchte
dazu aus klangvoller Kehle einige kurze muth¬
willige Lachtöne, welche dem armen Sali nicht
anders dünkten, als der Gesang einer Nachtigall.
"O Du Hexe! rief er, wo hast Du das ge¬
lernt? welche Teufelskünste treibst Du da?"
"Ach Du lieber Gott! sagte Vrenchen mit schmei¬
chelnder Stimme und nahm Sali's Hand, "das
sind keine Teufelskünste! Wie lange hätte ich gern
einmal gelacht! Ich habe wohl zuweilen, wenn
ich ganz allein war, über irgend etwas lachen
müssen, aber es war nichts Rechts dabei; jetzt
aber möchte ich Dich immer und ewig anlachen,
wenn ich Dich sehe, und ich möchte Dich wohl
immer und ewig sehen! Bist Du mir auch
ein bischen recht gut? "O Vreeli! sagte er
und sah ihr ergeben und treuherzig in die Au¬
gen, ich habe noch nie ein Mädchen angesehen,
es war mir immer, als ob ich Dich einst lieb
haben müßte und ohne daß ich wollte oder wußte,

und erſtaunt, ſtarrte unwillkürlich mit lachendem
Munde auf die Augen, gleich einem Hungrigen,
der ein ſüßes Weizenbrod erblickt, und rief:
»Bei Gott, Vreeli! wie ſchön biſt Du!« Vren¬
chen lachte ihn nur noch mehr an und hauchte
dazu aus klangvoller Kehle einige kurze muth¬
willige Lachtöne, welche dem armen Sali nicht
anders dünkten, als der Geſang einer Nachtigall.
»O Du Hexe! rief er, wo haſt Du das ge¬
lernt? welche Teufelskünſte treibſt Du da?«
»Ach Du lieber Gott! ſagte Vrenchen mit ſchmei¬
chelnder Stimme und nahm Sali's Hand, »das
ſind keine Teufelskünſte! Wie lange hätte ich gern
einmal gelacht! Ich habe wohl zuweilen, wenn
ich ganz allein war, über irgend etwas lachen
müſſen, aber es war nichts Rechts dabei; jetzt
aber möchte ich Dich immer und ewig anlachen,
wenn ich Dich ſehe, und ich möchte Dich wohl
immer und ewig ſehen! Biſt Du mir auch
ein bischen recht gut? »O Vreeli! ſagte er
und ſah ihr ergeben und treuherzig in die Au¬
gen, ich habe noch nie ein Mädchen angeſehen,
es war mir immer, als ob ich Dich einſt lieb
haben müßte und ohne daß ich wollte oder wußte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0291" n="279"/>
und er&#x017F;taunt, &#x017F;tarrte unwillkürlich mit lachendem<lb/>
Munde auf die Augen, gleich einem Hungrigen,<lb/>
der ein &#x017F;üßes Weizenbrod erblickt, und rief:<lb/>
»Bei Gott, Vreeli! wie &#x017F;chön bi&#x017F;t Du!« Vren¬<lb/>
chen lachte ihn nur noch mehr an und hauchte<lb/>
dazu aus klangvoller Kehle einige kurze muth¬<lb/>
willige Lachtöne, welche dem armen Sali nicht<lb/>
anders dünkten, als der Ge&#x017F;ang einer Nachtigall.<lb/>
»O Du Hexe! rief er, wo ha&#x017F;t Du das ge¬<lb/>
lernt? welche Teufelskün&#x017F;te treib&#x017F;t Du da?«<lb/>
»Ach Du lieber Gott! &#x017F;agte Vrenchen mit &#x017F;chmei¬<lb/>
chelnder Stimme und nahm Sali's Hand, »das<lb/>
&#x017F;ind keine Teufelskün&#x017F;te! Wie lange hätte ich gern<lb/>
einmal gelacht! Ich habe wohl zuweilen, wenn<lb/>
ich ganz allein war, über irgend etwas lachen<lb/>&#x017F;&#x017F;en, aber es war nichts Rechts dabei; jetzt<lb/>
aber möchte ich Dich immer und ewig anlachen,<lb/>
wenn ich Dich &#x017F;ehe, und ich möchte Dich wohl<lb/>
immer und ewig &#x017F;ehen! Bi&#x017F;t Du mir auch<lb/>
ein bischen recht gut? »O Vreeli! &#x017F;agte er<lb/>
und &#x017F;ah ihr ergeben und treuherzig in die Au¬<lb/>
gen, ich habe noch nie ein Mädchen ange&#x017F;ehen,<lb/>
es war mir immer, als ob ich Dich ein&#x017F;t lieb<lb/>
haben müßte und ohne daß ich wollte oder wußte,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0291] und erſtaunt, ſtarrte unwillkürlich mit lachendem Munde auf die Augen, gleich einem Hungrigen, der ein ſüßes Weizenbrod erblickt, und rief: »Bei Gott, Vreeli! wie ſchön biſt Du!« Vren¬ chen lachte ihn nur noch mehr an und hauchte dazu aus klangvoller Kehle einige kurze muth¬ willige Lachtöne, welche dem armen Sali nicht anders dünkten, als der Geſang einer Nachtigall. »O Du Hexe! rief er, wo haſt Du das ge¬ lernt? welche Teufelskünſte treibſt Du da?« »Ach Du lieber Gott! ſagte Vrenchen mit ſchmei¬ chelnder Stimme und nahm Sali's Hand, »das ſind keine Teufelskünſte! Wie lange hätte ich gern einmal gelacht! Ich habe wohl zuweilen, wenn ich ganz allein war, über irgend etwas lachen müſſen, aber es war nichts Rechts dabei; jetzt aber möchte ich Dich immer und ewig anlachen, wenn ich Dich ſehe, und ich möchte Dich wohl immer und ewig ſehen! Biſt Du mir auch ein bischen recht gut? »O Vreeli! ſagte er und ſah ihr ergeben und treuherzig in die Au¬ gen, ich habe noch nie ein Mädchen angeſehen, es war mir immer, als ob ich Dich einſt lieb haben müßte und ohne daß ich wollte oder wußte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/291
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/291>, abgerufen am 27.11.2024.