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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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in diesem Hause gewesen, habe ich den Vater
oft sagen hören, nun steht sie da als der letzte
Wächter!" Sie hingen den rostigen Hausschlüssel
an einen rostigen Schnörkel der alten Waffe, an
welcher die Bohnen rankten, und gingen davon.
Vrenchen wurde aber bleicher und verhüllte ein
Weilchen die Augen, daß Sali es führen mußte,
bis sie ein Dutzend Schritte entfernt waren. Es
sah aber nicht zurück. "Wo gehen wir nun zuerst
hin?" fragte es. "Wir wollen ordentlich über
Land gehen, erwiederte Sali, wo es uns freut
den ganzen Tag, uns nicht übereilen, und ge¬
gen Abend werden wir dann schon einen Tanz¬
platz finden!" "Gut!" sagte Vrenchen, "den
ganzen Tag werden wir beisammen sein und
gehn wo wir Lust haben. Jetzt ist mir aber
elend, wir wollen gleich im andern Dorf einen
Kaffee trinken!" "Versteht sich!" sagte Sali,
"mach nur, daß wir aus diesem Dorf weg¬
kommen!"

Bald waren sie auch im freien Felde und
gingen still neben einander durch die Fluren; es
war ein schöner Sonntagmorgen im September,
keine Wolke stand am Himmel, die Höhen und

in dieſem Hauſe geweſen, habe ich den Vater
oft ſagen hören, nun ſteht ſie da als der letzte
Wächter!« Sie hingen den roſtigen Hausſchlüſſel
an einen roſtigen Schnörkel der alten Waffe, an
welcher die Bohnen rankten, und gingen davon.
Vrenchen wurde aber bleicher und verhüllte ein
Weilchen die Augen, daß Sali es führen mußte,
bis ſie ein Dutzend Schritte entfernt waren. Es
ſah aber nicht zurück. »Wo gehen wir nun zuerſt
hin?« fragte es. »Wir wollen ordentlich über
Land gehen, erwiederte Sali, wo es uns freut
den ganzen Tag, uns nicht übereilen, und ge¬
gen Abend werden wir dann ſchon einen Tanz¬
platz finden!« »Gut!« ſagte Vrenchen, »den
ganzen Tag werden wir beiſammen ſein und
gehn wo wir Luſt haben. Jetzt iſt mir aber
elend, wir wollen gleich im andern Dorf einen
Kaffee trinken!« »Verſteht ſich!« ſagte Sali,
»mach nur, daß wir aus dieſem Dorf weg¬
kommen!«

Bald waren ſie auch im freien Felde und
gingen ſtill neben einander durch die Fluren; es
war ein ſchöner Sonntagmorgen im September,
keine Wolke ſtand am Himmel, die Höhen und

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[315/0327] in dieſem Hauſe geweſen, habe ich den Vater oft ſagen hören, nun ſteht ſie da als der letzte Wächter!« Sie hingen den roſtigen Hausſchlüſſel an einen roſtigen Schnörkel der alten Waffe, an welcher die Bohnen rankten, und gingen davon. Vrenchen wurde aber bleicher und verhüllte ein Weilchen die Augen, daß Sali es führen mußte, bis ſie ein Dutzend Schritte entfernt waren. Es ſah aber nicht zurück. »Wo gehen wir nun zuerſt hin?« fragte es. »Wir wollen ordentlich über Land gehen, erwiederte Sali, wo es uns freut den ganzen Tag, uns nicht übereilen, und ge¬ gen Abend werden wir dann ſchon einen Tanz¬ platz finden!« »Gut!« ſagte Vrenchen, »den ganzen Tag werden wir beiſammen ſein und gehn wo wir Luſt haben. Jetzt iſt mir aber elend, wir wollen gleich im andern Dorf einen Kaffee trinken!« »Verſteht ſich!« ſagte Sali, »mach nur, daß wir aus dieſem Dorf weg¬ kommen!« Bald waren ſie auch im freien Felde und gingen ſtill neben einander durch die Fluren; es war ein ſchöner Sonntagmorgen im September, keine Wolke ſtand am Himmel, die Höhen und

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/327>, abgerufen am 22.11.2024.