vollziehend, ohne den Befehl eines Willens. Sa¬ lis Herz klopfte bald wie mit Hämmern, bald stand es still, er athmete schwer und sagte leise: Es giebt Eines für uns, Vrenchen, wir halten Hochzeit zu dieser Stunde und gehen dann aus der Welt -- dort ist das tiefe Wasser -- dort scheidet uns Niemand mehr und wir sind zusam¬ men gewesen -- ob kurz oder lang, das kann uns dann gleich sein. --
Vrenchen sagte sogleich: "Sali -- was Du da sagst, habe ich schon lang bei mir gedacht und ausgemacht, nämlich daß wir sterben könn¬ ten und dann Alles vorbei wäre -- so schwör' mir es, daß Du es mit mir thun willst!"
"Es ist schon so gut wie gethan, es nimmt Dich Niemand mehr aus meiner Hand, als der Tod!" rief Sali außer sich. Vrenchen aber athmete hoch auf, Thränen der Freude entström¬ ten seinen Augen; es raffte sich auf und sprang leicht wie ein Vogel über das Feld gegen den Fluß hinunter. Sali eilte ihm nach; denn er glaubte, es wolle ihm entfliehen, und Vrenchen glaubte er wolle es zurückhalten, so sprangen sie einander nach und Vrenchen lachte wie ein
Keller, die Leute von Seldwyla. 23
vollziehend, ohne den Befehl eines Willens. Sa¬ lis Herz klopfte bald wie mit Hämmern, bald ſtand es ſtill, er athmete ſchwer und ſagte leiſe: Es giebt Eines für uns, Vrenchen, wir halten Hochzeit zu dieſer Stunde und gehen dann aus der Welt — dort iſt das tiefe Waſſer — dort ſcheidet uns Niemand mehr und wir ſind zuſam¬ men geweſen — ob kurz oder lang, das kann uns dann gleich ſein. —
Vrenchen ſagte ſogleich: »Sali — was Du da ſagſt, habe ich ſchon lang bei mir gedacht und ausgemacht, nämlich daß wir ſterben könn¬ ten und dann Alles vorbei wäre — ſo ſchwör' mir es, daß Du es mit mir thun willſt!«
»Es iſt ſchon ſo gut wie gethan, es nimmt Dich Niemand mehr aus meiner Hand, als der Tod!« rief Sali außer ſich. Vrenchen aber athmete hoch auf, Thränen der Freude entſtröm¬ ten ſeinen Augen; es raffte ſich auf und ſprang leicht wie ein Vogel über das Feld gegen den Fluß hinunter. Sali eilte ihm nach; denn er glaubte, es wolle ihm entfliehen, und Vrenchen glaubte er wolle es zurückhalten, ſo ſprangen ſie einander nach und Vrenchen lachte wie ein
Keller, die Leute von Seldwyla. 23
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0365"n="353"/>
vollziehend, ohne den Befehl eines Willens. Sa¬<lb/>
lis Herz klopfte bald wie mit Hämmern, bald<lb/>ſtand es ſtill, er athmete ſchwer und ſagte leiſe:<lb/>
Es giebt Eines für uns, Vrenchen, wir halten<lb/>
Hochzeit zu dieſer Stunde und gehen dann aus<lb/>
der Welt — dort iſt das tiefe Waſſer — dort<lb/>ſcheidet uns Niemand mehr und wir ſind zuſam¬<lb/>
men geweſen — ob kurz oder lang, das kann<lb/>
uns dann gleich ſein. —</p><lb/><p>Vrenchen ſagte ſogleich: »Sali — was Du<lb/>
da ſagſt, habe ich ſchon lang bei mir gedacht<lb/>
und ausgemacht, nämlich daß wir ſterben könn¬<lb/>
ten und dann Alles vorbei wäre —ſo ſchwör'<lb/>
mir es, daß Du es mit mir thun willſt!«</p><lb/><p>»Es iſt ſchon ſo gut wie gethan, es nimmt<lb/>
Dich Niemand mehr aus meiner Hand, als der<lb/>
Tod!« rief Sali außer ſich. Vrenchen aber<lb/>
athmete hoch auf, Thränen der Freude entſtröm¬<lb/>
ten ſeinen Augen; es raffte ſich auf und ſprang<lb/>
leicht wie ein Vogel über das Feld gegen den<lb/>
Fluß hinunter. Sali eilte ihm nach; denn er<lb/>
glaubte, es wolle ihm entfliehen, und Vrenchen<lb/>
glaubte er wolle es zurückhalten, ſo ſprangen<lb/>ſie einander nach <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> Vrenchen lachte wie ein<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Keller, die Leute von Seldwyla. 23<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[353/0365]
vollziehend, ohne den Befehl eines Willens. Sa¬
lis Herz klopfte bald wie mit Hämmern, bald
ſtand es ſtill, er athmete ſchwer und ſagte leiſe:
Es giebt Eines für uns, Vrenchen, wir halten
Hochzeit zu dieſer Stunde und gehen dann aus
der Welt — dort iſt das tiefe Waſſer — dort
ſcheidet uns Niemand mehr und wir ſind zuſam¬
men geweſen — ob kurz oder lang, das kann
uns dann gleich ſein. —
Vrenchen ſagte ſogleich: »Sali — was Du
da ſagſt, habe ich ſchon lang bei mir gedacht
und ausgemacht, nämlich daß wir ſterben könn¬
ten und dann Alles vorbei wäre — ſo ſchwör'
mir es, daß Du es mit mir thun willſt!«
»Es iſt ſchon ſo gut wie gethan, es nimmt
Dich Niemand mehr aus meiner Hand, als der
Tod!« rief Sali außer ſich. Vrenchen aber
athmete hoch auf, Thränen der Freude entſtröm¬
ten ſeinen Augen; es raffte ſich auf und ſprang
leicht wie ein Vogel über das Feld gegen den
Fluß hinunter. Sali eilte ihm nach; denn er
glaubte, es wolle ihm entfliehen, und Vrenchen
glaubte er wolle es zurückhalten, ſo ſprangen
ſie einander nach und Vrenchen lachte wie ein
Keller, die Leute von Seldwyla. 23
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/365>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.